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An Alle und Keinen
„Weil Pullistricker meinen,
Atomkraft wär riskant, die Kohle viel zu dreckig, das Erdöl bald verbrannt, wird Strom bald unbezahlbar werden. Kein Luxus mehr – ihr werdet sterben. Weil irgendwelche Spinner die Produktion von Schweinen und andern Tierartikeln aus Schuldgefühl verneinen, woll’n sie auch euch das Mahl verderben: nur Bio-Food – ihr werdet sterben. Weil Klimawechsellügner am liebsten nach Benzin auch Dieselstoff verteuern, und jetzt noch Kerosin, wird jedes Urlaubsziel auf Erden utopisch weit – ihr werdet sterben. Weil ach so gute Menschen die eigne Not vergessen und lieber Fremden helfen als Sachsen und indessen den Fluchttourismus noch bewerben, erkrankt das Land – ihr werdet sterben.“ Also sprach Sandra Schuster, Expertin, und ergänzt: „Erst wenn man diesen Heuchlern den Einflussraum begrenzt, bleibt unser Leben billig. Steht auf und sprecht mir nach: ‚Das will ich!‘“ |
oh Gott, spricht mir das aus dem Herzen!
DAS nenne ich eine gelungene Satire, oder meinetwegen Gesellschaftskritik, oder einfach nur gesunden Menschenverstand. Die jeweiligen Endreime sind klasse wobei mir der Letzte am besten gefällt. Man hat ein Würgen in der Kehle (aber keine Angst, nicht wegen deines Gedichts ;) ) weil es einfach das unreflektierte Verhalten der "Bild"ungsbürger und Überschriftenleser so passend zitiert. Ich bin nicht so ein großer Lyriker, dass ich jetzt so genial wie manche andere hier Verbesserungstips geben könnte (leider, ich bewundere das), ich kann immer nur auf den Inhalt eines Gedichts eingehen und es für mich interpretieren. Für mich? Ist es gelungen und ich habe es sehr genossen, dieses Stückchen Gesellschaftsspiegel zu lesen! Danke badico |
Hi Bodo,
haste ja schon wieder ein Möhrchen hingehalten, und ich kann nicht anders als Deine Idee total spannend zu finden. Hätte ich bloß in der Schule besser aufgepasst! Dann hätte ich vielleicht den Nietzsche von vorne bis hinten durchgelesen und könnte jetzt wie Oma aus dem Nähkästchen plaudern. Die Anlehnung an "Also sprach Zarathustra" hast Du gut verpackt (nicht zuuu offensichtlich, aber auch nicht zu versteckt), altes Schlitzohr! Den Titel konnte ich nach dem Hinweis dann auch einordnen. Aber jetzt muss ich zugeben, dass ich mich auf ganz dünnem Eis bewege. Vielleicht sagst Du am besten selbst was dazu, bevor ich mich hier total vergaloppiere. :D Die Strophenbauweise, je eine dreihebige Volksliedstrophe mit einem vierhebigen Couplet hintendran, scheint mir geschickt ausgewählt. Der Haufenreim auf "sterben" hämmert den absurden Warnruf schön durchdringend ins Gehirn. Darf ich das jetzt Überhöhung nennen? Eine Steigerungsstufe zu sterben fällt mir jedenfalls im Moment nicht ein. ;) Du siehst, ich habe angebissen und knabbere immer noch. :) LG Claudi |
Hallo Bodo Neumann
Mit Nietzsche kann ich nicht dienen. Aber die Form deines Textes zieht mich unweigerlich an. Da hat einer Nut und Feder sauber abgemessen. Und ich stehe bewundernd vor dem Resultat. Was im Endresultat allerdings mMn etwas leidet, ist die Dramaturgie, die Spielerei, die Überraschung und leider auch die Pointe. Die letzte Strophe sagt in sage und schreibe sechs Zeilen nicht mehr aus als: "dichtet Sandra Schuster" (und nicht einmal ihr Name sagt mir etwas... Oder? Nein, bitte nicht S.S....! Das wäre zu "billig".) Schönen Gruss wolo |
Lieber Bodo,
Ich finde, dass gesellschaftkritische Satire schwierig ist. Ich klicke oft nur kurz auf solche Texte und steige dann gleich wieder aus, bevor ich beginne, mich richtig zu ärgern, weil es eben oft irgendwelche in Form gepresste Vorschlaghammerpolemik ist, die dazu dient, sich einmal richtig schön auszukotzen und/oder seine kleingeistige Sicht hinter "Lyrik" zu verstecken. Für mich muss gute Satire immer die persönliche Betroffenheit eines reflektierenden Schreibers zeigen, in einer guten Satire - also für mein meinem Geschmack - muss man spüren, dass es dem Schreiber weh tut. Auch wenn die Schmerzen daher rühren, dass man vor lauter Kotzen nur noch Galle erbricht und sich in Krämpfen windet. Schmerzen läutern und so entleert kann man dann wieder klar denken und sollte dann erst zu schreiben beginnen, denke ich. Ich kann keine Satire schreiben (jedenfalls nicht ohne gleichzeitig noch zu kotzen ;)) - aber das ist nur mein Gefühl. Deins mag ich ganz gern. Es ist keine Kotze und keine Polemik, es ist wohlüberlegt und mit der feinen Feder geschrieben, wie mir scheint. Mit der Nietzscheanspielung - wie Claudi meint - kann ich mangels Wissens nichts anfangen. Aber mir ist spontan eingefallen, dass Nietzsche etwas über Menschen und Affen geschreiben hat und das habe ich jetzt gegoogelt und das Zitat gefunden: "Einst wart ihr Affen, und auch jetzt ist der Mensch mehr Affe, als irgend ein Affe." Das wäre jedenfalls ein guter Aufhänger für eine Satire, aber ich glaube das ist es nicht, was Claudi darin erkannt hat? Was mich jetzt eigentlich zum Nachdenken gebracht und zu einem Kommentar bewogen hat, waren vor allem die Strophenabschlüsse "ihr werdet sterben", die machen für mich neben der Form, die mir sehr gefällt, das Besondere an diesem Text aus. Auch wenn ich nicht sicher bin, ob ich es richtig interpretiere, ich habe es so gelesen: Ihr werdet eben nicht daran sterben, aber sterben werdet ihr jedenfalls. Was ihr bis dahin tut, sollte daher etwas weitsichtiger sein. Aber das hat in deinem Text für mein Gefühl eben gerade keinen "Erhobenen-Zeigefinger-Effekt", den ich auch nicht mag. Die letzte Strophe ist mir auch etwas zu wenig pointiert für den Schluss. Vielleicht fällt dir da noch etwas anderes ein, du kannst das bestimmt, da habe ich eigentlich keine Zweifel, nachdem was ich so von dir gelesen habe. Lieben Gruß charis |
Hallo badico, |
Lieber Bodo,
Zitat:
Bei mir sperrt sich eigentlich der letzte Vers. Warum weiß ich selbst nicht so genau. Aber bitte, das sind nur Korinthen, der Text ist einfach gut, wie er ist! Er könnte aber als Kontrast irgendwie mehr Gewicht (was kaum möglich ist) oder auch viel weniger Gewicht haben im Verhältnis zu den anderen sehr starken Strophenabschlüssen - "ihr werdet sterben". "Sandra Schuster" würde ich umtaufen, vielleicht "Susi Müller" nennen; die Nietsche-Kenner würden auch so Bescheid wissen, es klingt so richtig "nett und harmlos", und nicht so bedeutungsschwanger (nietzschebelastet) und kantig wie "Sandra Schuster". Statt Poetin, würde mir als "selbsterwählte Profession" - Mahnerin - gefallen; ist das zu plakativ? "Poetin" ist mir fast zu "nischenhaft", wer nimmt Poeten schon ernst? :D Also noch eine Idee für einen letzten Vers mit viel weniger Gewicht, also schön kindisch: Sagt mir (brav) nach: Das will ich! Also sprach Sandra Schuster, Poetin, und ergänzt: „Erst wenn man diesen Heuchlern den Einflussraum begrenzt, bleibt unser Leben billig. Steht auf und ruft: ‚Das will ich!‘“ Lieben Gruß charis |
Hi, Bodo!
Die letzte Strophe hätte ich mir erspart, denn zum einen weicht sie vom sonstigen Hebungsschema (3-3-3-3-4-4) ab, indem alle Zeilen nur 3 Heber haben, zum anderen wird es da plötzlich "persönlich", was der satirischen Schärfe der Vorstrophen leider viel von ihrer Wirkung nimmt. Was mir so gefällt, ist die Zweischneidigkeit der Formulierungen. Man weiß bis zuletzt nicht, ob hier ein Befürworter oder ein Gegner schreibt, der eine satirisch überhöhend, der andere als ernster Mahner. Ich persönlich bevorzuge die augenzwinkernde Version. Gerne gelesen!:) LG, eKy |
Hallo charis, Erich
sorry, ich habe mich eine Weile vor dem Text gedrückt. Heute hatte ich wieder Lust (und auch etwas Zeit) dazu, mir eure Anregungen durch den Kopf gehen zu lassen. "Susi Müller" ist mir dann doch zu "nett und harmlos", denn ich sehe die Protagonistin eher "einfältig, aber giftig" (ganz grob zusammengefasst). Deshalb möchte ich lieber bei der etwas "härteren" Sandra bleiben. Ich glaube, einer "Susi" könnte man diese Haltung nicht wirklich übel nehmen.:) "Mahnerin" ist schon plakativ, aber denkbar. Leider passt es nicht ins Metrum (Erich würde durchdrehen!):D. Ich habe mich für "Expertin" entschieden - was meinst du? Das kommt doch deiner Idee von einer "selbstgewählten Passion" nahe... Deine Idee für die letzte Strophe habe ich für eine Veränderung genutzt, mit der ich wahrscheinlich/hoffentlich auch Erichs Wunsch nach mehr metrischer Ästhetik entgegenkommen konnte. Ich gebe aber zu, dass sie mir nun selbst auch noch besser gefällt. Verzichten, lieber Erich, würde ich auf die letzte Strophe auf gar keinen Fall. Ohne sie, bin ich mir sicher, wäre das Ding nicht rund. Auch fehlte vermutlich dem unbefangenen Leser ein Hinweis, wie ernst oder wie satirisch der Text gemeint ist, findest du nicht? Vielen Dank für euer konstruktives Feedback lg Bodo |
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