Gedichte-Eiland

Gedichte-Eiland (http://www.gedichte-eiland.de/index.php)
-   Denkerklause (http://www.gedichte-eiland.de/forumdisplay.php?f=15)
-   -   Spagat (http://www.gedichte-eiland.de/showthread.php?t=14940)

charis 28.03.2016 10:32

Spagat
 
Wer will den Blick zurück versäumen?
Nur dort befindet sich das Glück!
In wohlig temperierten Räumen
und konserviert mit viel Geschick.

Der längst vergilbte Bilderbogen
verklärt uns jeden wachen Traum.
Die Rückschau hat uns nie belogen
und neues Sehnen greift nach Raum.

Wie wertvoll war das alte Lachen!
Die Wehmut wirft die neue Saat
dem Unbekannten in den Rachen,
wir schaffen weiter den Spagat:

So lass uns in die Zukunft schauen,
denn nur das Ungewisse zählt!
Wie soll man Augenblicken trauen?
Sie lügen, jedes Glück vergeht.

Das Jetzt kann nie Versprechen halten,
wenn Altes trügt, mit Neuem lockt.
So bleibt das Denken stets gespalten,
die Gegenwart ein schwarzes Loch.

Erich Kykal 28.03.2016 13:40

Zitat:

Zitat von charis (Beitrag 93678)
Wer will den Blick zurück versäumen?
Nur dort befindet sich das Glück!
In wohlig temperierten Räumen
und konserviert mit viel Geschick.

Der längst vergilbte Bilderbogen
verklärt uns jeden wachen Traum.
Die Rückschau hat uns nie belogen
und neues Sehnen greift nach Raum.

Wie wertvoll war das alte Lachen!
Die Wehmut wirft die neue Saat
dem Unbekannten in den Rachen,
wir schaffen weiter den Spagat:

So lass uns in die Zukunft schauen,
denn nur das Ungewisse zählt!
Wie soll man Augenblicken trauen?
Sie lügen, jedes Glück vergeht.

Das Jetzt kann nie Versprechen halten,
wenn Altes trügt, mit Neuem lockt.
So bleibt das Denken stets gespalten,
die Gegenwart ein schwarzes Loch.


Hi, Charis!

Gefällt mir sehr gut - in klaren und wohlformulierten Zeilen beschreibst du die Zukunftsgläubigkeit der Menschen, die sie immer voranstürmen lässt, ohne innezuhalten für die kleinen Wunder am Wegesrand, über die sie blind hinwegtrampeln auf dem Weg ins Irgendwo ihrer vagen Visionen!

Ein paar Kleinigkeiten:

S1 - "Glück/Geschick" ist unrein, aber das geht noch, da klanglich nah verwandt.

S4 - "zählt/vergeht" ist leider gar kein Reim.

S5 - "lockt/Loch" klingt zwar ähnlich aufgrund desselben Vokals, ist aber auch kein Reim.

Das würde ich noch ändern, zB. so:

So lass uns in die Zukunft schauen,
wo alles Ungewisse steht!
Wie soll man Augenblicken trauen?
Sie lügen, jedes Glück vergeht.

Das Jetzt kann nie Versprechen halten,
nicht alt, nicht neu, ein Weder-Noch.
So bleibt das Denken stets gespalten
und Gegenwart ein schwarzes Loch. Runder mit "und".

Sehr gern gelesen!:)

LG, eKy

juli 30.03.2016 14:40

Hallo charis,
Du beschreibst hier gekonnt den Zustand zwischen Vergangeheit und Zukunft. Es ist eine Gradwanderung, so wie du sagst ein "Spagat". Hier handelt es sich um die Spezies Mensch, die nicht innehalten kann, die entweder in der Vergangeheit schwelgt, oder in nicht dagewesenen Zukunftsträumen verweilt. Der Inhalt und die Wortwahl gefallen mir. Allerbest! Es ist Anklage vorhanden, Fragen, die ins Ungewisse führen...

Zitat charis: So lass uns in die Zukunft schauen,
denn nur das Ungewisse zählt!


ist die Aufforderung, etwas zu riskieren. So lese ich das hier! Die Gegenwart , das einfache Sein muß genossen werden. Der Augenblick zählt, und dann weitergehen....

So verstehe ich deine Zeilen hier.:Blume::)

Liebe Grüße sy

:Blume::Blume::Blume:

charis 01.04.2016 15:35

Lieber Eky, liebe Syriane,

Vielen Dank für eure Einträge und die Zustimmung! :Blume:

Deine Vorschläge, lieber Eky, sind gut; der erste mit "steht" weniger, aber das Weder-Noch-Vers gefällt mir sehr.

Ich habe hier aber bewusst teilweise bloße Assonanzen gewählt; ich finde das passt gut zum Thema ... mein LI vergleicht, was gerade passiert oder "ist" meist mit dem, was schon war, also mit dem, was durch die Erinnerung verklärt wird bzw. hofft, dass es noch besser wird bzw. hat bereits Angst, weil es diesen Moment, den es zufällig einmal als erfüllend empfindet, nicht festgehalten kann ... es lebt in der Gegenwart also irgendwie mit/von bloßen "Anklängen".

Lieben Gruß
charis

Dana 04.04.2016 20:48

Liebe charis,
das ist ein Spagat, den kein Olympionike in unserer Zeit brechen wird.;)
Für mich höchste Philosophie, in der wir uns "zaghaft" bewegen und immer in schwarzen Löchern landen.
Dein Gedicht wirft eine Ahnung ein, eine Frage, die eine Antwort ersehnt.
Bis zur Klärung bleibt jener Spagat. Das kann noch dauern.

Philosophisch gesehen ein ganz Großes!!!
Eine Saat, von der man nicht weiß, ob und wann sie aufgeht.
Großes Kompliment.:Blume:

Liebe Grüße
Dana

charis 07.04.2016 15:48

Liebe Dana,

Danke für dein schönes Kompliment :Blume:

Ja, wissn tät mas ja ... ;)

Ich komm mir letztlich immer blöd vor, wenn ich so gscheit' daherdichte, aber so wenig aus der Theorie in die Praxis umsetzen kann. :Aua

Ich gebe aber noch nicht auf! :)

Lieben Gruß
charis


Alle Zeitangaben in WEZ +2. Es ist jetzt 03:55 Uhr.

Powered by vBulletin® (Deutsch)
Copyright ©2000 - 2024, Jelsoft Enterprises Ltd.

http://www.gedichte-eiland.de

Dana und Falderwald

Impressum: Ralf Dewald, Möllner Str. 14, 23909 Ratzeburg