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Erich Kykal 08.10.2016 12:58

Ein Psychopath wird flügge
 
Mir sind die Bremsen fortgenommen aus dem Denken,
kein Stück Moral in mir plant noch ein Gnädigsein
mit allem, was mir Lust bereitet – mir allein
gehört, was ich mir einverleiben will und schenken.

Was immer dies für Konsequenzen hat für jene,
die mir gehören werden – es betrifft mich nicht,
denn kein Gewissen hält in mir noch Strafgericht,
und frei und unverwundbar reifen meine Pläne.

Zuletzt erlöst bin ich aus auferlegten Banden,
die, aus Erziehung und Bedenkentum geknüpft
verhinderten, dass meine wahre Seele schlüpft
aus allen Schalen, die ihr fremde Normen fanden.

So bin ich endlich frei, mich künftig zu entfalten:
ein Weg der Klarheit, den ich fürderhin - geweiht
von Hemmungslosigkeit – beschreite für die Zeit,
die mir noch bleibt, die dunklen Träume zu gestalten.

So komm, geliebtes Opfer, nun in meine Netze,
den Geist betäubend, bis er viel zu spät begreift,
dass er wie eine Frucht dem Biss entgegenreift,
mit dem ich zärtlich erst, dann tödlich dich verletze!

Mein heißer Wille fängt wie meine kalten Arme
dein Leiden ein, auf dass es ganz in mir verbleibt
und meinem süßen Wahnsinn neue Blüten treibt,
bis ich mich endlich deines Überrests erbarme.

Und selbst was wirken könnte wie ein Akt der Gnade
ist mir Erfüllung erst und reiner Lustgewinn,
verleiht mir frische Kraft und neuen Lebenssinn:
Dein zelebrierter Tod wird meine Bundeslade!

Selbst wenn sie Jahre später mich vielleicht erwischen
und ängstlich richten mit der Schwachen Unverstand,
wirst du mein Opfer bleiben, ganz mir eingebrannt,
und darfst mein Hinbegehren jederzeit erfrischen.

So wird es sein, und keine Macht kann es verhindern!
Was lang in mir verborgen war, ist nun erwacht
und hat mich unangreifbar hart und stark gemacht,
und keiner Träne Glänzen wird den Hunger lindern.

juli 10.10.2016 10:54

Hallo eKy :)
 
Das ist ein langes Gedicht!:)

Die langen Zeilen lassen mich innehalten und mitdenken. Es ist eine schwere Kost. Du beschreibst die Gemütslage des Psychopathen sehr genau. Es geht alleine um Macht, und ums Gestörtsein. Um das Krankhafte, Leben auslöschen zu können, weil man es kann, und es dann für sich als Lustgewinn zu verbuchen:(:mad::(

Hannibal Lector in dem Film " Das Schweigen der Lämmer" ist dafür bei grausiges Beispiel.


Düster Düster und absolut lebensfeindlich.

Liebe Grüße aus dem Norden sy

:Blume::Blume::Blume:

Erich Kykal 10.10.2016 18:34

Hi Sy!

Interessant, dass du das erwähnst! Der Film "Das Schweigen der Lämmer" war auch das Vorbild für dieses Werk, das mir beim Schreiben vor Augen stand.
Sowohl die Getriebenheit des "Buffalo Bill", der begehrt, was er täglich sieht, bis er es sich nicht mehr beherrschen kann und "tätig" wird, nur um in rettungslosen Wahnsinn abzugleiten, als auch die berechnende Gefühlskälte des hochintelligenten Soziopathen Hannibal Lecter, der sein Anderssein geradezu feierlich zelebriert.
Beiden Ausprägungen gemeinsam ist die Erlangung von absoluter Macht über andere, sei es Körper, Geist - oder beides.
Ich glaube, ein klein wenig von diesen Aspekten findet ein jeder in seinem Wesenskern, ob ihm das passt oder nicht. Damit müssen wir leben und zurechtkommen, und für die meisten sozialisierten Charaktere stellt das ja auch kein Problem dar. Aber wer hätte nicht schon mal - ganz heimlich bei sich - überlegt, wie es wohl wäre, alle Hemmungen und Sperren fallen zu lassen, um sich ganz und gar überlegen fühlen zu können, unbehindert von empathischen Überlegungen, Rücksichtnahme und sozialen Zwängen und Regeln ...
Dabei muss es gar nicht zu Lustmorden oder anderen lethalen physischen Kontrollverlusten kommen - den meisten genügt die Illusion von (emotionaler) Unverwundbarkeit und Allmacht, die sie empfinden (oder empfänden), wenn sie absolut unempathisch sein könnten.
Ich glaube sogar, solche Fantasien gehören bei uns dazu, um Frust und Zorn so abreagieren zu können, ohne dass es zu direkten Reaktionen kommt. In meiner Teenagerzeit, als gemobbtes Schulkind, hatte ich eine ganze Liste von "Feinden" sowie passender Todesarten für sie, die jede Menge Folter und Erniedrigung beinhalteten!
Mich nach einem Tort geistig damit zu beschäftigen, verhinderte wohl, dass ich irgendwann Amok lief ...

Aber das führt hier schon zu weit und vor allem fort von der eigentlichen Intention obigen Gedichts. Da wollte ich nur diesen Augenblick der Entscheidung beschreiben, wenn ein Soziopath zum Psychopath wird, weil er beschließt, seine Vorstellungen real zu verwirklichen, sich nicht mehr von Gesetzen und Konventionen oder der Angst vor Konsequenzen bremsen zu lassen. Für die Opfer eine Tragödie, aber aus der Sicht des Täters eine Erlösung, eine Befreiung, eine Katharsis - wie eine Metamorphose (was ja schon zum Schmetterling aus "Das Schweigen der Lämmer" passt, der diese Verwandlung symbolisiert: Aus der starren Puppe schlüpft agile Pracht, endlich frei, um zu fliegen: konzeptionelle Reinheit - vielleicht grausam und unsäglich, aber auf seltsame und verdrehte Art eben (zumindest für Außenstehende) auch faszinierend und vielleicht sogar irgendwie beneidet).

Tja, so komisch ist es zuweilen, Mensch zu sein ... :rolleyes::Aua

LG, eKy

Dana 23.10.2016 17:12

Lieber eKy,

:eek: - aber ja, das gab es und gibt es.
Was einem nur grauenhaft erscheint ist dem anderen "Befreiung", so unvorstellbar es sich auch anhört.
Ich habe auch gleich an den o.g. Film gedacht.

Du hast es ungemein wortstark verdichtet. Ich brauche noch eine Weile, mich vom Grauen zu befreien.:confused:

Liebe Grüße
Dana

Erich Kykal 23.10.2016 20:05

Hi Dana!

Danke für's Vorbeischauen! Es ist keine leichte Kost hier!

LG, eKy


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