Gedichte-Eiland

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Erich Kykal 22.09.2019 08:53

Wir funktionieren
 
Die Erde dreht sich in den neuen Morgen,
erweitert ihre Gegenwart ins Licht,
und wir erwachen in des Tages Pflicht,
getrieben von Gelegenheit und Sorgen.

Wir sind Gebeugte der Vernunft und borgen
einander immer neue Zuversicht,
bis irgendwann der Krug am Brunnen bricht
und niemand kommt, die Scherben zu entsorgen.

Wann ist die Schuld, die uns erzog, beglichen?
Wer zählt die Jahre in gewohnter Fron?
Wir sind so lange durch die Zeit geschlichen

wie fremd Gewordene, die sich nicht suchen,
und winkt der Sensenmann am Ende schon,
erbetteln wir das kleinste Stück vom Kuchen.

Hans Beislschmidt 25.09.2019 18:51

Hey Erich, das Vermächtnis des Lebens hat keine Schuld zu begleichen, wie ich meine. Sorgen, Fron sind Dinge, die dem Abhandensein einer Unversehrtheit zugestanden werden und darauf haben wir keinen Anspruch. Es ist Zufall, Glück, Schicksal, was auch immer, was die Welt mit uns treibt. Wenn uns der Hein einmal ereilt, hatten wir in unserem Land, zu unserer Zeit doch die Potentialität aller Dinge und da sollte man sich nicht grämen, wenn zum Schluss das Stückchen Kuchen kleiner ausfällt, als erwartet. Gern gelesen und gesenft. Gruß vom Hans
p.s. im "sonettaren" Umgang brauchst du keine Ratschläge, da ist Eky sattelfest wie immer.

Erich Kykal 25.09.2019 19:27

Hi Hans!

Das Sonett handelt von der gesellschaftlichen Schuld, an die zu glauben wir gelehrt werden:

Dass unsere Eltern uns versorgen, ist gentisch programmiert und zugleich echte Liebe. Der Staat aber betrachtet uns als Investitionsobjekte, in die er Geld pumpt, um es später mit Zinsen zurückzuerhalten: Er bezahlt unsere Schulbildung, unser Studium, unseren Schutz und unsere Gesundheitsversorgung und erwartet dafür, dass wir zu brav Steuer zahlenden und arbeitsamen Stützen unserer Kultur werden, die im Fall des Falles auch noch mit der Waffe in der Hand für ihn kämpfen und sterben.
Wir haben uns selbst domestiziert und sind zu Ameisen im Dienste unserer Gesellschaftsordnung geworden, von Konsum und Medien eingelullt und ersatzbefriedigt, aber wenn wir im Dienste dieses Systems zerbrechen, werden wir oft genug im Stich gelassen und der Barmherzigkeit weniger übereignet, die sich dann noch zuständig fühlen.

Die Kirche ist noch schlimmer: Für ein Leben in Gehorsam und ohne Sünde (was alles beinhaltet, was das System schädigen könnte) verspricht sie die Belohnung für nach dem Tode - wie praktisch!
Kennst du den alten Witz? Unterhalten sich der Bischof und der König übers Herrschen, und der König sagt zum Bischof: "Halt du sie dumm, ich halt sie arm!"

Irgendwann fügt man sich den Konventionen, begehrt nicht mal mehr innerlich auf, weil es zuviel Energie kostet und eh nichts bringt. Ich war früher ein heimlicher Verehrer des Chaos - ein Anarchist mit Gewissen, der einfach nur frei und ohne aufgezwungene Regeln leben wollte - eine Illusion, wie mir heute klar ist. Aber sind die scheinbare und ach so leicht auszuhebelnde, weil gefühllose Geborgenheit und Sicherheit unserer Gesellschaft den Preis wert, den wir dafür zahlen?

Vielen Dank für deinen Kommi und die lobenden Worte! :)

LG, eKy

Erich Kykal 28.09.2019 20:02

Hi TD, du "Lyrikgott"! :D

Überladen und schwer verständlich nur für jene, denen es (noch?) an sprachlicher Durchdringung mangelt ... ;):p

Aber ich gebe gern zu, dass ich mich in manchen Werken konstruktiv etwas versteige. Der Punkt, an dem der sprichwörtliche rote Faden reißt, liegt eben bei jedem woanders. Ich mag nun mal lange, verschachtelte Sätze, wiewohl ich mir Mühe gebe, Bezüge und damit den Bedeutungsinhalt klar nachvollziehbar zu halten. Gelingt eben leider nicht immer so ganz ... :rolleyes:

Wir leben, um zu lernen ... :cool:

Vielen Dank für deine Gedanken! :)

LG, eKy


PS: Wer das Sonett hinrichten will, obendrein mit einer so stumpfen Klinge wie der des sog. Quadronetts, hat bei mir einen schweren Stand! :p;)


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