Gedichte-Eiland

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Falderwald 25.01.2010 21:03

Geheul
 
Geheul


Wir lauschten dem Geheul der Feuerratten
in diesen endlos langen Sommernächten,
doch mit den Hoffnungen der Selbstgerechten
verbrannten auch die Schrecken dieser Schatten.

Es war die letzte Chance, denn wir hatten
uns schon verloren in den kalten Mächten
alltäglicher Gewohnheit, um die schlechten,
verängstigten Gefühle zu bestatten.

Die Trauerfeier war im Nu verdorben,
weil letztlich nur die treuen Wölfe blieben.
Die Welt war schließlich nicht im Sturm gestorben,

im Gegenteil, sie steht auf festen Säulen,
um mit all jenen, die uns wirklich lieben,
das Lied der Wölfe nun im Chor zu heulen.


Falderwald
. .. .

Erich Kykal 26.01.2010 11:39

Hi, Faldi!

Sehr gutes Gedicht! Besser als "Wenn ich einst geh"! Viel besser!
Vor allem die Formulierkunst - nicht zu komplexe, aber wunderbar in sich geschlungene Satzteile, die den Rhythmus unterstreichen und sich in die Sprachmelodie einfügen: Ein Meisterwerk!

Nur in der letzten Zeile stört mich "ab sofort" doch sehr! Das fällt aus der Wortmelodie, eckt an. Wie wäre es damit?

"das Lied der Wölfe klagend mitzuheulen."
"das Lied der Wölfe klaglos mitzuheulen."

Denkbar wären auch "weinend", "trostlos", usw...

Und eine Frage: Was ist mit "Feuerratten" gemeint? Klingt ja gut, aber da klingelt bei mit nix! Überhaupt viel Symbolik: Wölfe? Sturm? Trauerfeier? Ich ersuche um Erläuterung...

Insgesamt aber: Hut ab!

LG, eKy

fee 26.01.2010 13:42

servus falderwald,


ich lese hier ein wunderschön melodiös gedichtetes resümee bzw. eine traurig-leise aber sicher formulierte erkenntnis eines in einer harten zeit gereiften lyrIch.

besonders schön für mich lesbar: das wachsen am erlebten und durch-littenen. "es" - und somit auch das lyrIch im bezug dazu - ist an "die richtige position" gerückt auf dem schmalen grat zwischen zuviel distanz oder nähe.

die aus diesem gefühlten erkennen erwachsende stärke dringt gut durch die zeilen und trägt sie gleichermaßen.

auch die anfänglichen inneren konflikte, die dabei durchgestanden wurden, skizzieren gerade so spannende ausdrücke wie "feuerratten" sehr passend. die andeutung der agression darin, des rudelverhaltens von ratten und des abscheus zugleich, gefällt mir persönlich ausnehmend gut. noch besser im vergleich zu den dazu gewählten wölfen als rudeltiere mit gänzlich anderem verhalten. die metapher ist also in sich stimmig und greift auch auf der gefühlsebene automatisch mit. das gefällt mir sehr sehr! auch der spannungsbogen, der mit der schlusserkenntnis gut zum ausklingen geführt wird und "sicher geerdet" endet, ist gelungen.

insgesamt also ein hammerteilchen von einem gefühlsgedicht, das noch dazu so völlig ohne pathos daherkommt. gratuliere! das hinzukriegen ist schon eine leistung, die erwähnt gehört, weil angesichts des themas an sich eine meisterliche.


"ab sofort" ist allerdings tatsächlich nicht ganz so elegant und klingt unerwartet sachlich hart - verglichen mit dem rest des fließenden, melancholisch-sanften und doch so eindringlichen textes. da stimme ich erich kykal definitiv zu. ein bescheidener, und - wie ich hoffe kaum (in deinem sinne) sinnentstellender - vorschlag von mir "von nun an".... ??? aber eigentlich sind es peanuts, gemessen am gesamten des gedichts.



sehr sehr gern gelesen!!



lieber gruß,

fee

Falderwald 26.01.2010 22:46

Hallo fee, hallo Erich,

ihr gestattet, daß ich euch gemeinsam antworte?

Also erst einmal bin ich jetzt ein wenig verblüfft, daß der Text so positiv von euch bewertet wurde, denn ich hatte insgeheim schon die Befürchtung, daß meine Wahl der Metaphern diesmal zu "kryptisch" gewesen sei.

Umso erstaunter war ich, als fee mir hier eine Interpretation geliefert hat, die meine Absichten entlarvte.
Das ist keinesfalls deinen Kommentar abwertend, Erich, denn bisher hat jeder, dem ich den Text vorgetragen habe, den Begriff der "Feuerratten" hinterfragt.

Der Text entstand am 27.10.2009, 19:50 Uhr, MEZ und ich habe den ganzen Tag intensiv daran gearbeitet, quasi für vier Sätze.
Ich wusste, was ich sagen, was ich beschreiben wollte, doch es sollte keine spezielle Situation ersichtlich werden, sondern allgemeiner gehalten sein und einen Spielraum für Interpretationen und Fragen lassen
Es war nicht ganz einfach, diese Bilder gegenüber zu stellen, ohne dabei die Sprache, den Satzbau, die Metrik oder den Reim zu vergewaltigen.
Und das Sonett ist ja noch stärker an Formalitäten gebunden, zumindest wenn man die klassische Form zugrunde legt.
Deshalb freue ich mich auch über das Lob aus berufenen Mündern ganz besonders, wenn das Formale, der Inhalt und die Art und Weise der Darstellung als stimmig empfunden werden.

Wer kennt sie nicht, die (Feuer)Ratten, die sich auf alles und jeden stürzen, die ausgehungert über jede Art von Nahrung herfallen, die Seuchen und Verderben mitbringen. Und Ratten sind sogenannte Zivilisationsfolger, befinden sich also immer im Schlepptau des Menschen.
Und jeder Mensch hat sein ganz persönliches Gefolge, nämlich die sogenannten Feuerratten, die sich auf ihn stürzen, wenn er eine unpopuläre Entscheidung trifft, einen anderen Lebensweg wählt oder sonst irgendetwas tut, was nicht in das normale Bild passt.
Sie zerreißen sich die Mäuler, prophezeien, daß das sowieso nicht gut geht, lassen kein gutes Haar an einer Sache und warten nur darauf, daß ihr Opfer einen Fehler macht, um dann mit Säure zu spritzen, die dann noch zusätzlich brennt und ätzt.
Und wenn es soweit erst einmal gekommen ist, dann hat ihr Opfer keine Chance mehr, sich aus dieser Falle zu befreien.

Im Gegensatz dazu stehen die Wölfe.
Sie halten zusammen, jagen gemeinsam, sind frei und ungebunden und nur ihrem Rudel verpflichtet.
Es sind wilde Hunde, un(be)zähmbar, sie respektieren und achten einander und kennen ihren Stellenwert für die Gesellschaft.
Im Optimalfall besteht ein Wolfsrudel aus dem Elternpaar, dem Vorjahreswurf und dem aktuellen Nachwuchs, wobei sich die "Halbstarken" mit um die jungen Tiere kümmern.
Die Eltern sind dominant und es gibt keine Kämpfe um die Rangordnung, wie aus Studien an gefangenen Wölfen stets behauptet wird. Jene Studien gehen an der Realität vorbei, da diese Rudel stets gemischt wurden und kein Verlassen der Gruppe möglich war, wie es in der Natur aber der Fall ist.
Wölfe sind nicht falsch, sie sind stets konsequent und singen gemeinsam ihre Lieder.
Im übertragenen Sinne kann man das auch mit Kameradschaft, Freundschaft oder sogar Liebe und Familie umschreiben.
Das sind die Leute, die am Ende zueinander halten, die sich die Treue halten und gemeinsam "heulen" können.

Strophe eins ist einleitend und LI/LW erkennt die Feuerratten, die an ihm nagen, weil sich etwas geändert hatte.
Die Hoffnungen jener, die nichts Gutes wünschten, verbrannten mit der Zeit und mit ihnen wuchs die Selbstsicherheit.

In Strophe zwei kommt die Erkenntnis, daß sie sich schon fast verloren glaubten, im Alltag gefangen waren und nun die letzte Möglichkeit gegeben sahen, den schlechten Gefühlen und der Angst zu entkommen.
Also wurden diese bestattet.
Eine (geplante) Änderung in der Lebensführung ist immer das größte Hindernis, denn es wird begleitet von neuen Ängsten und Sorgen. Wie wird es weitergehen, was wird morgen sein, wenn ich das vertraute Terrain verlasse?

Mit diesen Erkenntnissen gewappnet, fiel es in Strophe drei nicht schwer, einen neuen Weg zu beschreiten und für Trauer und Selbstmitleid bot sich gar keine Gelegenheit.
Denn ein Ziel der Feuerratten ist es immer wieder, ihren Opfern ein schlechtes Gewissen zu machen.
Doch diese "Trauerfeier" war verdorben und es blieben trotzdem die treuen Wölfe übrig, die verstehen wollten und konnten.

Und was war letztlich schon Weltbewegendes passiert? Es hatte sich etwas geändert in der Gesellschaft von verschiedenen Menschen.
Kein Unglück, keine Naturkatastrophe, wie ein Sturm, der die Welt aus den Angeln hebt, nur ein paar persönliche Schicksale waren davon betroffen.

Die Welt aber, wie sich in Strophe vier herausstellt, steht nach wie vor auf den festen Säulen der Liebe, der Zuneigung, der Freundschaft und der Treue.
Und das neugebildete Rudel kann nun wieder gemeinsam seine Lieder singen.

Soweit zum Inhalt...:)


Wenn ich mir das jetzt noch einmal durchlese, dann gebe ich euch Recht, dieses "ab sofort" klingt wirklich zu abgehackt im Lesefluss.

Leider passt z.B. "klagend oder klaglos mitzuheulen" nicht in die Syntax.

Das wäre eine unkorrekte Doppelung, weil ich in Z2 dieser Strophe schon "um mit all jenen" das "mit" verwendet habe.

Auch "von nun an" passt metrisch leider nicht als Ersatz an diese Stelle.

Ich hätte da aber eine Idee...

Wie ich oben schon schrieb, hat dieser Text mit u.a. Befreiung und mit der Bestattung von Ängsten zu tun.

Man könnte z.B. schreiben:

um mit all jenen, die uns wirklich lieben,
das Lied der Wölfe ohne Angst zu heulen.
oder
das Lied der Wölfe angstbefreit zu heulen.

Was meint ihr? Oder habt ihr noch einen besseren Vorschlag auf Lager?


Ich hoffe, ihr nehmt mir die gemeinsame Antwort an euch nicht krumm, aber ich hätte zu viel wiederholen müssen und ich glaube doch, auf alle eure Punkte ausreichend eingegangen zu sein.

Vielen Dank für eure lobenden Kommentare, "ick fühle mir geschmeichelt" und habe mich sehr darüber gefreut...:)


Liebe Grüße

Bis bald

Falderwald

fee 26.01.2010 23:47

stimmt, falderwald,


bei meinem vorschlag funzt das metrum nicht. sorry. :o
(das kommt davon, weil ich nicht mehr die gesamte letzte strophe dabei vor augen hatte... *schäm)

umso mehr freu ich mich, mit meiner interpretation so richtig zu liegen. (da hat mir wohl meine wölfische spürnase den richtigen weg gewiesen ;)
vielleicht half dabei auch mein interesse und wissen über tiere und unterschiedliche rudelverhalten, die ich - so wie du offensichtlich - ausgesprochen interessant finde (und auch mal gern vergleichend an uns menschen anlege bei meinen beobachtungen).


das thema der angst ist mE zuviel des guten, wenn es jetzt am schluss noch mitreinkommt. "angstbefreit" klingt auch gradezu klinisch-psychologisch. ich hoffe, du verzeihst meine direkten worte.

das ab sofort könnte ev. aber auch ersetzt werden durch:

im Gegenteil, sie steht auf festen Säulen,
um mit all jenen, die uns wirklich lieben,
das Lied der Wölfe nun im Chor zu heulen.


oder vielleicht auch

"nun/so vereint" zu heulen.


mir fällt jetzt aber beim besten willen im moment auch nix ordentlicheres mehr ein.


lieber gruß,

fee

Falderwald 27.01.2010 18:49

Grüß dich fee,

gekauft. Der Vorschlag gefällt mir gut:

"das Lied der Wölfe nun im Chor zu heulen"

Dieselben Vorbehalte gegen das Angst-Thema hatte mir Dana schon benannt, weshalb ich es auch noch nicht so übernahm.

Aber der "Chor" ist eine elegante Lösung und das "nun" ersetzt das "ab sofort" sicherlich würdig.


Vielen Dank für die erneute Rückmeldung und "für den Kopp machen"...:)


Liebe Grüße

Bis bald

Falderwald

fee 28.01.2010 17:29

aber gern doch.
war mir ein vergnügen, falderwald,


und es freut (und ehrt mich auch ein bischen), dass mein vorschlag gefällt. :)



da, wo mich was packt, mach ich mir dann auch gern einen kopp.


lieber gruß,


fee

Falderwald 28.01.2010 20:31

Liebe fee,

so etwas nennt man dann konstruktiven Austausch.

Und so sollte es auch sein.

Wenn sowohl Autor als auch Leser ein Erfolgserlebnis haben, macht die Sache doppelt Spaß...:)


Liebe Grüße

Falderwald

ginTon 29.01.2010 17:13

lieber falderwald,,

nun wurde schon sehr viel zu dem Text gesagt und ich komme erst sehr spät da-
zu mich zu äußern, womit natürlich ein großer Teil an Überlegung mir sozusagen
vor der Nase wegstiebitzt wurde..

mit dem Inhalt will ich anfügen, dass es in vergangener Zeit mitunter aufgrund des
Wortes "Geheul" in Zeile 1 mitunter zu Fehlinterpretationen kam?

ansonsten finde ich dein Werk sehr gut :)

liebe Grüße gin

Dana 31.01.2010 02:25

Lieber Faldi,
ich mag dein "Geheul" und wenn du magst, gründen wir sofort einen Chor.;)

Nicht weniger spannend und konstruktiv ist auch der Kommentaraustausch.
Zugleich ist fast alles gesagt. Der nachfolgende Leser kann es sich leisten, auf Wiederholungen zu verzichten.

Ein dickes Lob lasse ich dir gern da. Die Metaphern sind gut gewählt und stellen sich bildlich gut dar beim Lesen.
Hervorragend dein Sprachgefühl - die Sätze unabhängig von Punkt und Komma stimmig und gewandt in Versen einzusetzen.

Liebe Grüße
Dana


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