Gedichte-Eiland

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Blaugold 17.07.2010 16:30

Gewahrsamkeit
 
Der Wind weht frisch, er streichelt tief und weich
in sanften Brisen übers Gras hinweg.
Ein Schmetterling fliegt pendelnd hin und her,
als suche er den ganz bestimmten Duft.

Ich schaue in die Ferne. Klare Sicht.
Der Stein, auf dem ich sitz ist moosbedeckt.
Die Wolken schweben träg am Firmament.
Am Horizont glimmt lichterlohes Rot.

Wie Dämmerung nach Sonnenuntergang
empfinde ich die Traurigkeit in mir.
Doch augenblicklich bin ich mir gewahr,
dass nun auch noch ein zweiter Falter fliegt.

Nicht eine einzige Sekunde lang
verschliessen sie sich hadernd vor der Welt,
denn jede Blüte zeigt sich offenbart.
Nur Menschen lassen Leere oft nicht los.

Cimex 17.07.2010 20:09

Hallo Blaugold!

Ein sehr schönes Stimmungsbild hast Du hier gemalen aus ungereimten Versen (was ob der Melodie der Sprache erst am zweiten Blick auffällt). Und das vordergründige Naturgedicht (s. Rubrik) entpuppt sich ausserdem noch als eines mit Tiefgang in der Aussage. Da gibt es Schmetterlinge, die nach dem besonderen Duft suchen, Blüten, die sich offenbaren, Menschen, die an der Leere hängen. Sprachlich souverän, bildlich bestechend ist das ein Werk, bei dem ich gern als dritter Falter mitgeflogen bin. :)

Mit Dank und lieben Grüßen,
Cimex

Dana 17.07.2010 22:16

Lieber Blaugold,

die "Bildbeschreibung" gleicht einem Sog, der den Leser sehen läßt und in die wunderbare Stimmung einbezieht.
Natur mit Tiefgang und irgendwie melancholisch leicht - wohl der Falter wegen.

Dieses:

Zitat:

Zitat von Blaugold
Ein Schmetterling fliegt pendelnd hin und her,

hat mich ganz besonders beeindruckt. Sie pendeln tatsächlich.

Was jetzt kommt, betrachte eher als Fragen, denn wirklich sicher bin ich nicht:

Müsste es nicht heißen: als suchte er den ganz bestimmten Duft. Die Gegenwart bleibt gewahrt.

Und: Doch augenblicklich werde ich gewahr, :confused:

Das Ungereimtes erst viel später bemerkt wird, unterstreicht nur ein Verstehen von Lyrik. Reime sind gut aber nicht zwingend. Die Sprachmelodie macht ein Gedicht aus.

Liebe Grüße
Dana

ginTon 17.07.2010 23:52

hallo lieber blaugold,,

gerade wegen dem aufbau und inhalt finde ich das werk sehr interessant..mir
fällt auf, dass alle Verse ungereimt sind, außer die zweite Strophe, wo
das LI anfängt in die Ferne-mitunter Leere zu schauen "Licht, Sicht"...

das Werk endet dann, obwohl wie gesagt fast alle Strophen ungereimt sind,
sehr abrupt und es kommt einen so vor, als würde die letzte Zeile noch verwai-
ster da stehen als alle übrigen, woran das liegt *schulterzuck mitunter am "o"
Vokal...

natürlich trägt das Gedicht eine gewisse philosophische Grundidee mit sich, wo-
durch es mir sehr gut gefällt und es eher auch dieser rubrik zuordnen würde, als
allein der aus der Betrachtung heraus wirkenden Naturlyrik...hier schweift die Be-
trachtung ja doch ein wenig ins metaphysische..

also mir gefällts, eben die Faszination Schmetterling im Kern die Natur verstehen
zu wollen, liebe Grüße wa

Blaugold 22.07.2010 18:47

Halli Cimex, Dana, wa Bash

Ich schreibe bisweilen gern ohne Reime, achte dann aber trotzdem auf Rhythmus und Metrik. Es ist deshalb wohl kein allgemeines "freies" Gedicht.
Der Grund ist klar: man hat dabei mehr Freiheiten im Satzbau, ohne Reimzwang.
Ich überlegte mir vor dem Posten die Rubrik, es hätte wegen der philosophischen Aspekte auch woanders gepasst, ja.
Aber gerade die Natur mit ihren Impressionen bietet sich ja wunderbar zum Sinnieren bezüglich Sinnbildern an.
Zunächst eine unbedarfte/unschuldige Situation während des Sonnenuntergangs, dann der Vergleich des LI zwischen seiner eigenen Melancholie und der Dämmerung (vielleicht Liebeskummer).
Plötzlich, als er sich der Umgebung achtsam gewahr wird, wird ihm bewusst, dass in der Natur immer Alles ohne nachtragende Gedanken geschieht; Vergangenheit im Sinne von "dran hängen, nicht loslassen, lamentieren" usw. ist nicht.
Im Grunde ist die gedankliche Tagträumerei eine Leere (das merkt der Mensch, wenn er sich davon löst und unmittelbar das Geschehen um ihn herum wahrnimmt.)
Die Blüte mit ihrem Duft soll eine Metapher sein; das, was wirklich ist, ist ununterbrochen offenbar!

Ich bin mir bezüglich der Zeile 3 in Strophe 3 auch nicht sicher, ob du, Dana, nicht doch die richtige Alternative aufzeigst. Ich habe dieses Problem durchdacht.
Doch augenblicklich bin ich mir gewahr,
Es passiert augenblicklich, keine Zeit im Spiel, kein Verlauf. Auf diesen Aspekt möchte ich in der Aussage wert legen. Insofern enden die "Impressionen" des LI nach der dritten Strophe. Er ist im Hier und Jetzt angekommen, seine Traurigkeit ist der Wachheit für das Geschehen gewichen!

Die Vierte Strophe gibt eine Resume wieder: Hier die gegenwärtige Natur, danebenstehend (im doppelten Sinn ;)), in Gedanken gefangen der hadernde Mensch.
Der gesamte Text ist in der Gegenwart. Ich denke deshalb, als suche er ist deshalb ok.
oder übersehe ich da eine Grammatikregel? :confused:

Es freut mich, dass ihr den Text beachtet, kommentiert und eine poetische Darstellung darin gefunden habt! :)


Blaugold

Galapapa 22.07.2010 22:14

Hallo Blaugold,
Dein Gdicht hat mich doch so angesprochen, dass ich einen kurzen Kommentar dalassen will.
Mir ging es wie Cimex, mir fiel beim ersten Lesen gar nicht auf, dass die Verse ungereimt sind. Ich erkläre mir das mit dem fesselnden Inhalt, ausgedrückt mit einer herrlich bilderzaubernden Sprache. Das zeigt mir auch, wie wichtig Metrik und Rhythmus für den Lesefluss sind.
Besonders gefällt mir die Gegenüberstellung der Lebensbewältigungen von Natur und Mensch. Die chancen- und bedingungslose Hinnahme einerseits und das "Nicht- loslassen", Aufbäumen auf der anderen Seite.
Am schönsten formuliert finde ich "Wie Dammerung nach Sonnenuntergang empfinde ich die Traurigkeit in mir."
Diskussionswert scheint mir die Anmerkung von wa Bash die Zuordnung betreffend.
Wie gesagt, der Text hat mich berührt.
Einen herzlichen Gruß an Dich!
Galapapa

Blaugold 25.07.2010 00:55

Hallo Galapapa

Ja, Traurigkeit ist in gewisser Weise eine Dämmerung des Lebensmutes, Lebensfreude, der Stimmung. Wie ich schon in meinem Kommentar zuvor schrieb, ist die Natur wunderbar für Gleichnisse geeignet. Ich mag solche Allegorien sehr, sind sie doch in etlichen Märchen, Fabeln, Sagen, Göttermythen oder in biblischen Gleichnissen ebenso zu finden. Wobei ich mich auch bemühe, herkömmliche Sinnbilder nicht nur zu verstehen, sondern auch verständliche eigene Assoziationen dazu in Gedichten auszudrücken.

Dass in der zweiten Strophe ein Reim in Z1 und Z4 auftaucht (wa Bash hats aufgezeigt) ist eher zufällig und eigentlich nicht gewollt. Das hab ich jetzt geändert.
Ich denke aber nicht, dass das Gedicht irgendwie ins Metyphysische abschweift; ein philosophisch/psychologischer Schlenker zum Ende hin ist beabsichtigt.

Ich freue mich über dein Lob und deine Anmerkungen. :)

Blaugold


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