Gedichte-Eiland

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Thomas 24.07.2011 21:58

Der Strom
 
Der Strom

Ganz selbstverständlich fließt er, Jahr für Jahr,
und seine Wellen brauchen keinen Deich;
am Ufer nimmt man kaum sein Fließen wahr,
und alle Wiesen macht er blumenreich.

Ganz selbstverständlich trägt er schwere Last.
Man denkt, schaut man ins Tal mit weitem Blick,
„Wie schön der Strom in dieses Tal doch passt!“
„Ich schuf das Tal.“ So rauscht der Strom zurück.

Stimme der Zeit 25.07.2011 17:33

Hallo, Thomas:),

der Text "strömt" ebenfalls, durch die männlichen Kadenzen an den Versenden lese ich etwas "beschleunigt". Das Metrum (fünfhebiger Jambus) ist stringent, und durch die Zäsuren fließt es "hin und her". Fein gemacht. Mein Hinweis: Die Länge, d. h. die zwei Strophen sind hier die richtige Entscheidung. Wenn es mehr Strophen wäre, bestünde leicht die Gefahr, dass es zu "leiern" beginnt. So aber ist die Wirkung insgesamt sehr stimmig. :)

Der Inhalt lässt sich verschieden betrachten. Ich persönlich sehe zwei "Ebenen": Einmal die wörtliche, es ist die Beschreibung eines natürlichen Flusses. Zum Zweiten kann ich auch im metaphorischen Sinne den "Fluss des Lebens" erkennen. Dann ist es eine sehr "optimistische" Darstellung, denn es stellt sich die Frage, ob es immer Blumen sind, die wachsen ...

Der Fluß unseres Lebens fließt unaufhörlich, so lange wir "da" sind. Und es stimmt, wenn wir nicht ganz bewusst darüber nachdenken, nehmen wir dieses Fließen oft gar nicht wahr. Es geschieht eben "ganz selbstverständlich" (die Repetitio gefällt mir, sie verdeutlicht die Bedeutung der "Selbstverständlichkeit"). Ja, es ist der Fluß, der das "Tal schuf", er formt die "Landschaft" - nicht umgekehrt. Er trägt "selbstverständlich" schwere Last, es wäre schön, wenn das "uns" auch so "leicht" fallen würde. ;)

Sehr gerne gelesen und kommentiert.

Liebe Grüße :)

Stimme http://www.smilies.4-user.de/include..._devil_006.gif

Thomas 27.07.2011 11:15

Hallo Stimme der Zeit,

Vielen Dank für den interessanten und ausführlichen Kommentar. Da du verschiedene (in diesem Fall ergänzende) Sichtweisen liebst, will ich ein wenig aus dem Nähkästchen plaudern. Die Idee zu dem Gedicht bekam ich, als ich den wesentlichen Charakterzug einer ganz bestimmten, real existierenden Person umschreiben wollte. Es ist also eine in die Natur verlegte Charakterbeschreibung, zu der mich natürlich auch Goethes 'Mahomets Gesang' angeregt hat.

Liebe Grüße
Thomas

Dana 03.08.2011 21:41

Hallo Thomas,

dein "Der Strom" sagt viel. Als Bild stimmig und schön und in der Aussage nicht einzig "Ein neuer Morgen", sondern auch tiefsinnig - was sich nur Liebende sagen:

Zitat:

Zitat von Thomas
„Wie schön der Strom in dieses Tal doch passt!“
„Ich schuf das Tal.“ So rauscht der Strom zurück.

Dabei hast du dich in beiden Strophen gänzlich vom lyr. Ich befreit und die "Selbstverständlichkeit" eines "Stroms" gehalten.

Angetan und mit lieben Grüßen
Dana

Thomas 05.08.2011 17:19

Hallo Dana,
vielen Dank für dein Lob. Ich freue mich. Mehr weiß ich nicht zu sagen.
Liebe Grüße
Thomas

Chavali 19.09.2011 10:56

Hallo Thomas,

dein Gedicht nehme ich jetzt mal ganz wörtlich.
Ich mag Flüsse. Sehr sogar. Besonders, wenn sie so ruhig und träge und beschaulich dahinfließen.

Mir ist natürlich klar - auch und besonders durch die Vorkommentare, dass du hier zu einem Gleichnis gegriffen hast.
Manche Menschen sind auch wie Ströme, dessen fruchtbares Wasser die Blumen (Weggefährten)
an seiner Seite blühen und wachsen lassen.

Glücklich die Menschen, die so einen Strom an seiner Seite haben.



Sehr gern und berührt gelesen hat
mit lieben Grüßen,
Chavali

ginTon 19.09.2011 14:48

hallo Thomas,,

ich finde dein Gedicht hervorragend und schließe mich meinen Vorkommentatoren an, sehr gelungen..erinnert mich an die Elbe,

liebe Grüße gin

Thomas 19.09.2011 20:22

Hallo Cavali, hallo ginTon,

herzlichen Dank für eure gute Meinung. Ich muss gestehen, ich bin ein wenig stolz darauf, nur ganz wenig. Das darf man ja.

Liebe Grüße
Thomas

Falderwald 30.09.2011 18:11

Hallo Thomas,

ich muss leider momentan aus beruflichen Gründen hier im Forum etwas kürzer treten und dabei entgeht einem manch schöner Text.
Aber es spricht ja nichts dagegen, daß man, findet man einen solchen, diesen noch einmal mit ein paar Worten würdigt.

Hier passt alles, zum Fluss, zur in die Natur gelegten Charakterbeschreibung und somit auch als Gleichnis.
Es ist kurz, melodiös und einprägsam und somit ein rundum gelungenes, kleines Werk.

Ich möchte trotzdem zwei kleine Anmerkungen hinterlassen, die sozusagen zwei kleine Ecken wegschleifen würden, die ich gefunden habe und welche ich vorher kurz begründen möchte.

Der Text kommt ohne ein LI aus, soll somit eine allgemeingültige und objektive Aussage transportieren, die in ein gemeines Gleichnis mündet.
Dafür bedarf es einer objektiven Betrachtungsweise.
Wir Menschen neigen natürlich immer zu einer subjektiven Beurteilungen der Erscheinungen, weil wir sie nur so umsetzen können, wie sie sich unseren individuellen Sinnen darstellen.
Dafür benutzen wir Begriffe. Begriffe sind da, um gedacht zu werden und um mit Hilfe dieser zu kommunizieren.
Wir müssen diese Begriffe aber füllen und je spezieller sie sind, desto einschränkender sind sie auch.
Mit Hilfe dieser kann der Dichter, wenn er sich dessen bewusst ist, den Leser steuern, aber auch manchmal in eine Richtung, die Widerspruch auslöst, weil der Leser eine andere individuelle Vorstellung mit jenem verknüpft bzw. sie kategorisiert.
Jeder hat eigene Kategorien, in die er die Begriffe einteilt, doch je allgemeiner diese gehalten sind, desto objektiver wird die Angelegenheit.
Das kann man auch sehr gut bei Kant in der KRV nachlesen.

Demnach würde sich meine erste Kritik an den Ausdruck "blumenreich" wenden.
Unter Blumen fallen z.B. nur einige Wildkräuter, weil viele von ihnen nur kurz und unauffällig blühen, so daß ich sie nicht zur Kategorie (s.o.) Blumen zählen würde.
Da aber sicherlich sehr viele dieser Wildkräuter in diesen Wiesen gedeihen, wäre es sinnvoll, diesen Ausdruck durch "blütenreich" zu ersetzen, denn blühen werden die meisten, wenn auch nur kurz (s.o.).

Des weiteren stößt sich die Kritik an der "schweren Last".
Das ist nicht nur eine unnötige Doppelung, denn eine Last ist immer ein Gewicht, sondern auch noch eine individuelle Bewertung, hier des Autors, weil er sie als schwer empfindet, jedoch eben nur aus seiner Vorstellung heraus, die ein anderer vielleicht gar nicht teilt.
Um dieser Falle zu entgehen, reicht es vollkommen aus, das "schwere" durch "seine" zu ersetzen, denn da müsste jeder Leser zustimmen.
Und sowohl der Fluss, als auch der Mensch trägt seine Last.
Wie schwer diese ist, kann er nur selbst beurteilen, denn vielleicht fällt ihm etwas leicht, was einem anderen als besonders schwer erscheint.

Das ist mein Beitrag, vielleicht kannst du damit etwas anfangen, denn dieses Lied hier hast du sehr schön gesungen.


Gerne gelesen und kommentiert...:)


Liebe Grüße

Bis bald

Falderwald

Thomas 01.10.2011 15:55

Hallo Falderwald,

meine Zeit für Beschäftigung mit Poesie ist aus dem gleichen Grund im Moment sehr eingeschränkt, umso mehr weiß ich Deinen ausführlichen Kommentar zu schätzen. Deiner These, dass Poesie eine allgemeingültige Aussage vermitteln soll, stimme ich aus ganzem Herzen zu und möchte hinzufügen, dass gegen diesen Grundsatz leider sehr häufig gesündigt wird, was auf Dauer dazu führen wird, dass mehr Gedichte geschrieben, als gelesen werden. Nun entsteht aber jedes Gedicht (zumindest bei mir) aus einem konkreten Anlass und in einem bestimmten sozialen Zusammenhang, d.h. für ein Auditorium (welches kein reales, sondern nur ein vorgestelltes oder erahntes sein braucht), weshalb jedes Gedicht zwangsläufig auch etwas Subjektives an sich haben muss. Außerdem kann der Dichter die Grenzen seines Individuums nicht überspringen und schreibt zwangsläufig subjektiv. Das widerspricht aber deiner These der allgemeingültigen Aussage überhaupt nicht, sondern ist nur eine Ergänzung.

Zu deinen zwei konkreten Punkten denke ich folgendes. Dein Blütenreich-Argument verstehe ich wahrscheinlich nicht ganz. Eine Wiese ist für mich reich an Gräsern, Blumen, etc. blütenreich sind hingagen Strauch, Baum, oder Blume. 'Blütenreiche Wiese' klingt mir etwas seltsam. Mit der Doppelung bezüglich 'schwer' und 'Last' hast du Recht. Ich würde es aber trotzdem gerne so stehen lassen, wie es ist, da sich das Gedicht auf eine bestimmte Person und eine Situation bezieht, wo 'schwere Last' genau zutrifft. Es ist eine Sünde, für die ich gerne einige Tage poetisches Fegefeuer auf mich nehme.

Hoffentlich wird das mit deiner Arbeitssituation bald so, dass du wieder mehr Zeit für Poesie hast. Bei mir wird es wohl noch den Rest des Jahres ziemlich rund gehen.

Liebe Grüße
Thomas


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