Gedichte-Eiland

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a.c.larin 16.10.2011 19:25

Oktoberbild
 
Winkt mir nun aus jedem Bilde -
Buntheit, die den Sinn betört?
So als malte hier die wilde
Lebenslust noch ungestört?
Klingt es nun aus jedem Klange:
Diese letzte Sinfonie,
tapfer vor dem Untergange -
bang, doch voller Poesie?

Herbstlichweite, leergefegte
Äcker säumen windbewegte
Kronen, die noch purpurn winken,
ehe im Herniedersinken
Jahresfülle Abschied nimmt.
Goldgebändert, sattgetrunken
schaukelt dort durch Sonnenfunken
loses Blatt, wie vorbestimmt.

Seele – zieht es dich ins Weite,
landschaftsfroh und stadtbefreit?
Mit dem Wind an deiner Seite -
wirst du einig mit der Zeit?
Füllst du deine späten Tage
wie das Land mit goldnem Licht?
Oder fällst du nur in Klage
und verlierst die klare Sicht?

Stiller wird dein Hügelsehnen,
da, wo Wolken grau sich dehnen,
taubetropfte Hänge schweigen,
schwere Früchte Äste neigen:
Alles fällt der Erde zu.
Schatten streifen durch die Wiesen,
und die Formen wechseln, fließen.
Jahr verglimmt ins Nichts, wie du.

Chavali 17.10.2011 09:21

Liebe larin,

schön. Poetisch. Sprachgewaltig.
So sind deine allermeisten Werke. Dieses hier spricht mich besonders an.
Es ist wie Gemälde des Herbstes, gemalt mit warmen, gedeckten Farben, großzügig an Gefühlen.
Besonders tief und inhaltsschwer finde ich die Strophen 2 und 4.

Was soll ich weiter sagen?
Da fällt mir nur noch ein Riesenlob ein. Chapeau!


Liebe Oktobergrüße,
Chavali

a.c.larin 17.10.2011 18:13

hallo chavali,
du hast das mit großem feingefühl herausgespürt, was ich da probiert habe:
mit worten ein gemälde zu malen!

ich hab dafür eine neue technik ausprobiert.
ich verrate sie dir: beim mitfahren im auto lasse ich mich von der landschaft berühren - und dann versuche ich einfach nur, passende wörter dazu aufzuschreiben/ zu erfinden. ich mache gewissermassen erstmal ein "brainstorming".

ich schrieb also: herbstlichweite, purpurn, goldgebändert, taubetropft, Sonnenfunken, Hügelsehnen, windbewegt, sattgetrunken , landschaftsfroh -
alles, was mir halt so beim vorüberfahren in den sinn kam.

es empfiehlt sich deshalb immer, irgendwelche zettel mit sich zu führen, sonst muss man taschentücher, servietten, kalenderblätter usw. missbrauchen! :p

das sind dann die wortbausteine mit denen man zu "basteln" beginnen kann.
so entstanden strophe 2 und 4. ( du hast sie sehr gut als die "etwas anderen" isoliert)
immer wieder durchlesen und auf den gesamtklang hören ist auch ein gutes mittel, um rauszufinden, was denn noch passen oder fehlen könnte.

dabei entdeckte ich, dass diese strophen, nacheinander gelesen, zu dicht, zu schwer und erdrückend sind.
deshalb fügte ich die "leichteren" strophen 1+ 3 ein. (die sind auch vom reim her einfacher)
so kann man sich beim hören auch immer ein bisschen "erholen".

danke für das riesenlob. :)
ich freue mich.

liebe grüße, larin

Dana 18.10.2011 23:27

Liebe larin,

nein, das kann nicht nur am mitgeführten Zettelchen liegen, auf das man als Beifahrer die passenden Wörter notiert.;)

Gerade habe ich mich bei Walthers "herbstzeitlose" über die übertriebene "Herbstanbetung" ausgelassen, sitze jetzt vor deinem "Gemälde" und muss mir selbst widersprechen.

Der Reimwechsel von Strophe zu Strophe gibt dem Bild je nach Dichte die jeweilige Kontur. Äcker und Hügel sind klar umrissen, Sinnen und Seele klingen pastellfarben.
Zum Abschluss ein schöner Bezug zum Sein.

Habe gern und lange dein Bild angeschaut.

Aber, weil es so total ist, warum "Wiesen" und "fließen". (Oder sagen Österreicher "Wießen"?)
Kann man die Formen im vorletzten Vers nicht zu Riesen machen?
Muss aber nicht - ein gestandener Dicher kann sich das schon erlauben.:)

Gern gelesen, bewundert und gestaunt.

Liebe Grüße
Dana

a.c.larin 19.10.2011 18:48

hallo dana,
Zitat:

das kann nicht nur am mitgeführten Zettelchen liegen, auf das man als Beifahrer die passenden Wörter notiert.
doch - gute zutaten braucht man schon beim kochen ( und ein wenig muss man dann noch wissen, wie das mit dem "umrühren" geht....:p)

ich darf dich beruhigen: die österreicher sprechen "Wiesen" auch wie "Wiesen" aus - nur die larin kanns halt nicht besser und hat gehofft, niemand würde die kleine chuzpe bemerken....:p

doch wie man sieht: einem aufmerksamen betrachter entgeht rein gar nichts! :) chapeau!
jetzt hab ich also doch noch was zum überbrüten....:rolleyes:

dann sag ich mal artig danke und mache mich ans werk...

lg,larin

Chavali 20.10.2011 10:29

Hallo larin,

ich muss mich hier nochmal melden, denn wie es zu der Entstehung deines wunderbaren Gedichtes gekommen ist,
finde ich gut.
Zitat:

beim mitfahren im auto lasse ich mich von der landschaft berühren - und dann versuche ich einfach nur, passende wörter dazu aufzuschreiben/ zu erfinden. ich mache gewissermassen erstmal ein "brainstorming".
:) Dazu dann deine Gabe, alles poetisch miteinander zu verbinden und fertig ist das Oktoberbild.

Und das hier freut mich auch für mich ;)
Zitat:

du hast das mit großem feingefühl herausgespürt, was ich da probiert habe:
mit worten ein gemälde zu malen!
Wieder gern gelesen und am Gemälde erfreut hat sich
mit lieben Grüßen
Chavali


wüstenvogel 26.10.2011 19:35

Oktoberbild
 
Hallo larin,
auch ich finde dein Oktobergedicht ganz toll.
Was mir besonders gut gefällt, sind deine zusammengesetzten Wörter
(Beispiele: herbstlichweit, leergefegt, landschaftsfroh, stadtbefreit) - das weckt viele Assoziationen und vertieft die Stimmung des Herbstes.
Besonders stark spricht mich die dritte Strophe an - die Verbindung des Herbstes mit der zeitgebundenen und auch zeitlosen Seele des Menschen.
Chavali hat völlig recht - poetisch und sprachgewaltig!

Sehr gern gelesen und im Banne (d)einer Herbst-Melancholie!

wüstenvogel

a.c.larin 03.11.2011 18:28

hallo chavali
Zitat:

Dazu dann deine Gabe, alles poetisch miteinander zu verbinden
mit ein bisschen lyrik-kleister geht alles! :D

hallo wüstenvogel,
die worte sind, wie gesagt, beim durchfahren der landschaft "eingesammelt" -
zunächst bin ich regelrecht überwältigt von der ganzen schönheit und muss mich immerzu fragen: wie ist das hier, wie sieht das aus, wie genau?

und dabei komm ich mir vor wie ein kind, das gerade erst sprechen lernt! ich fühle mich der grandiosen natur gegenüber eher sprachlos, denn sprachgewaltig.
mein gestammel kann ich dann nur rasch auf dem notizblock einsammeln.

der rest ist brainstorming und hirnschmalzausquetschung daheim. (mit etwas "lyrik-kleister")

es freut mich aber sehr, wenn ich auch dir die herbstliche landschaft näher bringen konnte, so wie sie mir vor augen stand!

liebe grüße,
larin

BABSvomKUTSCHI 04.11.2011 19:22

Also, mein Lieber, ich hab es jetzt mehrmals gelesen. Es ist einfach nur wunderschön. Und ich bewundere Dich, wäre ich doch niemals in der Lage, etwas Derartiges zu schreiben. Aber, das ist auch gut so. Könnte es Jeder, wär es nix außergewöhnliches mehr. Ich tröste mich immer damit, meinen verqueren Quark kann auch nicht jeder schreiben.
Liebe Grüße
Babsi


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