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a.c.larin 23.01.2012 19:32

Weißt du noch...?
 
Weißt du noch? So hat das alles angefangen:
Unerschrocken und mit frohem Blick,
unerfahren, doch mir großem Weltverlangen,
voll Begeisterung das erste Stück.

Dann manch scharfe Kurve, Wellentäler,
Wendepunkte, wo man hofft und leise bangt.
Das Budget an Kraft schon etwas schmäler,
nun begreifend, was das Leben auch verlangt.

Plötzlich Stillstand voller Einsamkeiten!
Missverstehen gähnt aus dunklem Grund,
teilt in wahre und in falsche Wichtigkeiten.
Seelennot bei jäh verschlossnem Mund.

Stunden voller Trübsal, blindes Irren,
nur allmählich einen Faden findend dann.
Im Bemühen, diesen redlich zu entwirren,
reifer werdend und erwachsen. Irgendwann

Mut gewonnen! Auch die eignen Kinder:
Noch einmal auf "Start" das ganze Spiel.
Nun durch sie herausgefordert gar nicht minder -
längst vergessen schon: Wo war zuerst mein Ziel?

Weißt du noch? So hat das alles angefangen!
Große Kinder sehn uns wieder fragend an.
Bald ist auch das Letzte aus dem Haus gegangen -
und nun fängt bei ihnen alles an.

fee 24.01.2012 08:39

ein sehr nachdenkliches gedicht, liebe larin,


das aus eltern-sicht das phänomen des "lernens durch das leben" reflektiert. wenn wir zurückblicken auf die eigenen lektionen, die wir so lernen mussten - manchmal auch zum preis von verzweiflung und ausweglosigkeit, die überstanden werden mussten - dann wünschen wir natürlich unseren kindern, dass ihnen solche erspart bleiben.

andererseits wissen wir auch tief drin, dass wir ohne diese lektionen vermutlich nicht bis hierher (auch was lebens-weisheit angeht) gekommen wären.

was uns nicht umbringt, macht uns härter. der spruch klingt abgedroschen, hat aber seinen kern wahrheit. lediglich würde ich die "härte" in etwas umwandeln wie "stabiler", "gefestigter". man weiß, hat man schon dies oder jenes durchgestanden, schafft man auch das, was vor einem liegt. egal, wie aussichtslos das ev. grade aussieht.

leider ist das etwas, das man seinen kindern nicht beibringen kann. sie müssen es "auf die harte tour" selbst für sich erfahren und lernen. manchmal würden wir ihnen das gern ersparen - auch, weil wir selbst noch gut erinnern, welchen preis uns manche "lehre" gekostet hat und wieviele energien. wie oft wir wieder zurück auf "start" gehen mussten bei manchen unserer konzepte für ein gelungenes leben.

das leben erfordert einiges an mut. vor allem dann, wenn man es nicht eben mal so nebenbei "hinter sich" bringen möchte.

das alles und noch mehr lese ich in deinen strophen hier. irgendwie hast du das leben selbst hier eingefangen und verdichtet. zu seiner ihm ganz eigenen essenz.



sehr gerne gelesen!


liebe grüße,

deine fee

Chavali 24.01.2012 09:40

hallo liebe larin,

das ist ein schöner, wahrer und nachdenklicher text über das leben selbst.

hier ist ein mensch (oder auch zwei), die sitzen, oder gehen spazieren und ziehen schon mal ein wenig bilanz
über die hälfte ihres lebensweges und erkennen, dass sich alles wiederholt im leben.
so wie sie hätten auch ihre eltern bilanz ziehen können, wenn sie es denn getan hätten.
aber früher war das nicht so. das hing auch mit der gesellschaftlichen stellung der frau zusammen.
früher zog man allenfalls im einsamen kämmerlein eine (manchmal) ernüchterte bilanz.
heute hinterfragt man und sucht vielleicht neue wege.

man möchte seinen kindern nur das beste mitgeben.
aber die kinder wollen und müssen ihre eigenen erfahrungen machen.

die frage weißt du noch...? klingt immer ein wenig wehmütig, finde ich.
impliziert sie doch vergangene zeit, die nicht wiederholbar ist....

ich hör jetzt auf. fee hat schon so schöne und wahre gedanken zu dem inhalt deines textes hinterlassen, larin.
ich kann mich da nur anschließen :)


sehr gern gelesen!
lieben gruß
chavali

Dana 25.01.2012 21:20

Liebe Larin,

am liebsten würde ich antworten:

"Oh, ja - und wie ich das alles weiß.";)

Psychologisch betrachtet soll es so sein, dass eine erkannte, anerkannte oder durchschaute Sache nur noch ist. Wehmut, Nachdenklichkeit oder gar "Trauer" wirken nicht mehr lastend - sie gehören dazu, wie Freude, Leichtigkeikeit und Mut, die auch jeweils nur ihre Zeit haben.
Eine leise Melancholie zieht durch die Strophen, aber eine angenehme.
Für mich fühlt sich alles gut und eher "tröstend" an und das Gedicht könnte ebenso in "Ein neuer Morgen" stehen.
Es drückt eine ganz eigene Art von Zufriedenheit und Versöhnung aus - und alles in fließenden und sprachlich gut umgesetzten Strophen.

Ganz besonders die letzte Strophe. Dort schließen sich die Kreise und neue werden gezeichnet.

Gefällt mir sehr.

Liebe Grüße
Dana

a.c.larin 28.01.2012 08:09

hallo fee,

ich glaube niemand kann sich letztlich gar nix ersparen - dazu wirkt das, was in uns "schicksal" ist (oder unser charakter, mit dem wir darauf reagieren?) zu tief.
mit den eigenen kindern wird einem immer ein teil der eigenen geschichte reflexiv zurückgespiegelt. da kann man dann schon ins grübeln kommen....


hallo chavali,
die "weißt du noch"- frage können sich wohl nur zwei stellen, die einander schon über lange zeit begleitet haben (als partner oder freund) , da steht man dann in gewissen momenten und blickt zurück auf die stationen eines lebens....
wahrscheinlich ist es das, was an einer trennung das schlimste ist: man muss einen teil seiner geschichte und identität zurücklassen - und verliert damit einen menschen, mit dem man das "weißt du noch"- spiel spielen kann.
ich nehme an, das wird jetzt nicht viel anders sein als früher- nur das in früherern zeiten scheidungen kaum möglich und daher auch nicht üblich waren.
ja, ein wenig wehmut ist da manchmal auch dabei. zeit, die vergangen ist, kommt halt nicht wieder. :(


hallo dana,
das hast du richtig gespürt: das wiedererkennen eines bstimmten musters macht auch freude. der kreis schließt sich - und geht in die nächste runde.

irgendwo hab ich das mal gelesen:

unsere kinder sind die sehnsucht des lebens nach sich selbst.

darum lächeln wir auch, wenn wir ein kind ansehen: weil wir uns freuen, dass das leben weitergeht.
und so soll es immer sein! :)


liebe grüße an alle!
larin


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