Gedichte-Eiland

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Erich Kykal 16.02.2012 13:28

Der krumme Baum
 
Wie am Rande sachter Steigung
ragt ins irdische Entsagen
an des Hügelbodens Neigung
jener krumme Baum. Seit Tagen

greift sein Anblick mir ins Tiefe,
seh ich sein Geäst sich heben,
windgereckt, als ob es riefe:
Gib mir Himmel! Gib mir Leben!

Eingekrallt ins Licht der Tage
wie des Büßers wirre Hand,
und wie weiß ich seine Lage

nahe anverwandt der meinen:
Gehn die Tage mir ins Land
doch genauso wie die seinen!

Dana 16.02.2012 19:02

Lieber eKy,

diese geneigten Bäume (bei uns meist am Uferrand des Sees zu beobachten) berühren tatsächlich auf ganz eigene Weise. Manchmal sind es richtig starke, die der Krümmung erlegen sind und ganz besonders neben den hochragenden aufmerksam machen.
Hier finde ich den Übergang von der Metapher (jedoch nicht ausschließlich) zur menschlichen Anverwandtschaft.
Auch der Mensch beugt mit der Zeit und erkennt sich in jenem Baum wieder.

Ach, eKy, es ist so - aber als Gedicht ist es wunderschön. Irgendwie trägt dein Gedicht die Stärke und Schönheit des Baumes doch und erwirkt Achtung vor dem "geneigten" Menschen. ;)

Liebe Grüße
Dana

Erich Kykal 16.02.2012 19:12

Hi, Dana!

Vielen Dank für deine Gedanken und natürlich das freundliche Lob!
Ich arbeite noch dran - ein paar Stellen gefallen mir noch nicht so ganz.
Mal sehen, was bei rauskommt!

LG, eKy

Thomas 16.02.2012 19:19

Hallo Erich,

das Problem ist nur die erste Strophe. Da bringst du schon zu viel von dir hinein. Konzentriere dich doch darauf, den Baum dem Leser erst mal als Baum an sich vors innere Auge zu stellen. Das ist nur ein Tipp. Insgesamt eine sehr gute Idee und (bis auf diesen Punkt) sehr gut realisiert, finde ich.

Liebe Grüße
Thomas

Erich Kykal 17.02.2012 16:59

Hi, Thomas!

Ich lass mir gern was sagen, aber das musst du mir erklären: WO bitte ist in S1 "zuviel" von MIR drin???

Wie am Rande sachter Steigung
ragt ins irdische Entsagen
an des Hügelbodens Neigung
jener krumme Baum. Seit Tagen

Reine Beschreibung. Wo bin ICH?

S2:

greift sein Anblick mir ins Tiefe,
seh ich sein Geäst sich heben,
windgereckt, als ob es riefe:
Gib mir Himmel! Gib mir Leben!

Hier tauche ich 2mal auf, einmal als emotional Beteiligter, einmal als Beobachter. Ist DAS "zuviel von mir"?

Wirklich persönlich wird es erst mit den abschließenden 3-Zeilern. Ist auch so beabsichtigt, denn darin besteht ja der Vergleich von Beobachtung und empfundener Parallele im eigenen Leben.
Also, ich erkenne beim besten Willen nicht, wo ich da zu sehr mit der Tür ins Haus falle. Meintest du vielleicht, ich hätte noch ein, zwei Strophen vorneweg schreiben sollen, um den Baum eingehender zu beschreiben? Dann hätte ich allerdings die Sonettform begraben müssen.

Na, jedenfalls in jedem Fall vielen Dank für dein Lob!:)

LG, eKy

a.c.larin 17.02.2012 19:00

ach, das ist einfach schön - und berührend!

und irgendwie vermeine ich, genau diesen baum schon einmal gesehen zu haben.
das liegt wohl daran, dass du zwar einen konkreten baum, aber damit zugleich auch etwas archetypisches beschreibst:
so wie die pflanze, windet sich auch die seele zum licht, muss stürmen trotzen und entbehrungen überdauern.

diese widerspiegelung von landschaft und seele - das könnte ich noch tausendmale irgendwo lesen, in ebensovielen varianten!

wirklich entzückt, larin

Erich Kykal 17.02.2012 20:00

Hi, larin!

Archetypus - du sagst es! Ein Baum, stellvertretend für alles, was sich zäh ans Leben klammert! Ein Sinnbild.

Vielen Dank für dein Schwelgen! Das streichelt meine Seele!

LG, eKy

Galapapa 17.02.2012 22:35

Hallo Erich,
ich kann mich larins Lob nur anschließen.
Das ist einer Deiner besonders gelungenen Texte, jedenfalls für meinen Geschmack.
Ganz besonders gelungen die Verbindung zwischen dem Baum und dem lyrischen Ich.
Ein berührender, tauriger Text; fast wie ein Hilferuf des lyrischen Ich.
Das Gedicht hat die Form eines Sonetts, allerdings in vierhebigen Trochäen.
Sehr schön, ich weiß nicht das weivielte Mal, aber: Chapeau!
Herzliche Grüße!:)
Galapapa

Erich Kykal 17.02.2012 23:44

Hi, Charly!

Das Sonett hat eigentlich 5-hebige Jamben, oder?
Diese Form hier ist ungewöhnlich, aber meines Wissens nicht "verpönt".
Mit den etwas kürzeren Zeilen "fließt" es besser, finde ich.

Die Sprachmelodie eines Gedichtes sollte wie das Flötenspiel eines Schlangenbeschwörers sein. (Im übertragenen Sinne - ich weiß natürlich, dass die Schlange nur auf die Bewegungen des Spielers reagiert)
Der Hörer wird mitgerissen und quasi hypnotisiert.

Vielen Dank für dein überschwängliches Lob - immer wieder gerne angenommen und genossen. Darüber ist man, denke ich, wohl nie erhaben!

LG, eKy


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