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Erich Kykal 17.10.2012 19:57

Der Friedhof von Neumarkt im Mühlkreis
 
So still auf eines Hügels Kamm gelegen,
schaut mich der alte Friedhof schweigend an.
Ich will nur mich, er will mein Herz bewegen,
und irgendwas in mir zerbricht daran.

Hier ruhen schon die Mutter und der Vater,
und auch die gute Tante liegt dabei,
bedürfen nicht der Murmelei der Pater,
der Schritte Knirschen und der Dohlen Schrei.

Sie fühlen nicht den kühlen Kuss des Windes,
der Sonne Schreiten und der Wolken Zug,
und übers Grab des namenlosen Kindes
zieht Schatten hin wie einer Krähe Flug.

Ich schweige mit dem Chor entlebter Stimmen.
Die Lettern auf den Gräbern tauschen Platz,
als gingen sie im Zeitenstrome schwimmen
und suchten nach dem Sinn in ihrem Satz.

Was bleibt von allem Streben und Ersehnen,
das uns durch Jahre und Erlebtes treibt,
als dieser Ort, an dem sich Stunden dehnen
zu jener Ewigkeit, die er beschreibt.

Hier ruht der Geist. Egal, ob Sarg, ob Urne,
sie stimmen alle in den Rhythmus ein,
den eine nie verstummende Nokturne
an alle Zeit vergeudet - und ans Sein.

Und jede Trauer wie auch das Gedenken,
sie halten inne vor dem großen Lied,
das nur der Wind begreift, und alle senken
den Blick vor Größerem, das hier geschieht.


(Zu Ehren von Thomas Gray (1716-1771) gedichtet, nach Lektüre seiner "Elegy Written in a Country Church-yard".)

Dana 17.10.2012 22:51

Lieber eKy,

mein Englisch reicht nicht aus, um vorab "Elegy Written in a Country Churchyard" zu lesen und zu verstehen. (Habe allerdings gegooglet, um zumindest zu ahnen.:o)

Bei deinem Gedicht "Der Friedhof von Neumarkt im Mühlkreis" ist das aber nicht Voraussetzung. Du hast es zu Ehren von Thomas Grey geschrieben, was bedeutet, dass es sich um ein eigenständiges Gedicht handelt.

Die erste Strophe hat mich besonders angesprochen, weil auch ich manchmal auf einem Friedhof lande, weil ich mich bewegen wollte.
Dabei ergeht es mir fast jedes Mal ähnlich deiner Dichtung. Man geht langsamer, beachtet die Steine, die Daten, erinnert sich und verlässt den Friedhof in einer anderen "Stimmung". (Die aber in anderer Umgebung ebenso schnell wieder verfliegt.)

Die "Begehung" geben die weiteren Strophen nachvollziehbar wieder. Erinnerungen, Bräuche, Rituale und Sinn werden immer und immer wieder hinterfragt.

Die letzte Strophe beeindruckt, macht nachdenklich und bleibt zu Ehren der Verstorbenen stehen. Das Hinterfragen ob der Rituale und der "begrabenen Hoffnungen auf ein Sein danach" verstummen.

Zutiefst beeindruckt,
liebe Grüße
Dana

Erich Kykal 18.10.2012 19:30

Hi, Dana!

Dein Kommi umreißt exakt und treffsicher, worum es mir hier ging (und sehr wahrscheinlich auch dem guten alten Thomas Gray, dessen Gedicht, war er auch sonst recht sparsam mit seiner Kunst (es sind kaum tausend Zeilen von ihm zu Lebzeiten publiziert worden) bis heute eines der meistzitierten in England ist...).

Auch mich erfasst auf Friedhöfen immer diese seltsame Stimmung, irgendwo zwischen Sammlung, Sebstvergessenheit, Nachdenklichkeit und kontemplativer innerer Ruhe - so als wollte man für die unausweichliche Zukunft schon mal irgendwie "vorfühlen"...
Umgeben von so vielen einstigen Leben und Schicksalen, die alle irgendwann einmal für die Betreffenden und vielleicht wenige andere in ihrem Wirkungskreis das Wichtigste auf der Welt waren, wird man bescheiden und klein. Schön, wenn meine Zeilen ein Weniges davon zu vermitteln wussten!:)

LG, eKy

Chavali 19.10.2012 17:48

Hallo eKy,

Friedhöfe und alles, was damit in Zusammenhang steht, sind immer ein lohnendes Thema,
wenn es um (meist düstere) Gedichte geht.
Ich kannte den Text von Thomas Grey nicht, habe ihn mir aber angesehen und versucht zu verstehen.
Er ist sehr viel länger als der deine, vermutlich hat er sein gesamtes lyrisches Können dafür aufgebracht ;)

Dein Gedicht ist sehr schön, man geht in Gedanken diesen Weg mit und lässt sich von Erinnerungen einfangen.
Die Grabsteine und Tafeln sprechen von dem Leben, das nun vom Tode eingeholt wurde.
Für mich ist das endgültig und meine Trauer über den Verlust eines geliebten Menschen bleibt irdisch.


Lieben Gruß,
Chavali

Erich Kykal 20.10.2012 12:01

Hi, Chavali!

Ist auch nicht mein erstes Friedhofsgedicht - du sagst ganz richtig: Das ist ein beliebtes Thema für Schwergewichtslyrik.

Vielen Dank für deine Gedanken!

LG, eKy

a.c.larin 23.10.2012 10:18

lieber erich,

ich mag die kontemplative ruhe, die von friedhöfen ausgeht, ganz besonders, wenn um allerheiligen die vielen lichter flackern.....

das mit dem "vorfühlen, was sein wird" kann ich gut nachvollziehen.
ich kann des weitern in keime friedhof sein, ohne mit dem rechnen zu beginnen: wie alt ist der geworden, wie alt der - und warum, starb dieser wohl jung....

mit den früh gegangenen hab ich ein besonderes gedenken.

als kind hab ich mich vor friedhöfen gegruselt, mittlerweile fühle ich ich da mehr und mehr "daheim"....

du hast ein sehr stimmungsvolles gedicht geschrieben, das trotz der länge nicht langatmig auf mich wirkt. ich denke, es vermittelt gerade dadurch die verlangsamung des alltäglichen zeitflusses.

nur an einer stelle werde ich aus betrachtung gerissen:

Ich will nur mich(bewegen), er will mein Herz bewegen.

obwohl ich weiß, was du damit sagen willst, will sich bei mir die verbindung friedhof-bewegung nicht einstellen. (ist doch kein sportplatz, oder? friedhof als fitnessparcour? das entwürdigt ihn doch ein bissel.).
auch wenns tatsächlich so war: ich würd den hinweis weglassen nud durch was anderes ersetzen.

sonst aber sehr , sehr gerne gelesen!

lg, larin

Erich Kykal 23.10.2012 23:21

Hi, larin!

Danke für deine Gedanken! Mit besagter Zeile wollte ich nur ausdrücken: Ich will eigentlich nur durchgehen, vielleicht für ein wenig Grabpflege oder einer neuen Kerze wegen, aber der Ort beeinflusst mich und meine Gefühle nachhaltig, ohne dass ich es verhindern kann.

Ich halte ihn für sprachlich klar und gar nicht sooo gewagt. Klar haben Friedhöfe nix mit Sport zu tun, aber bei dieser Extremauslegung biste selber schuld: Bewegung kann man auch weniger "heftig" deuten.;):D

LG, eKy


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