Thema: Fernweh
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Alt 12.04.2017, 11:37   #2
Erich Kykal
TENEBRAE
 
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Hi EV!

Ein schöner Text mit überraschend unverbrauchtem Kopfkino - interessante Bilder: Dem See "am Nacken langstreichen" oder mit dem Messer "ein Loch in den Himmel schneiden". Das ist sehr gut!

Ein paar kleine Schwächen solltest du noch bearbeiten:


Was trug mir dieser Wind nur fort
aus meiner welkend Herzensblüte? "welkend" klingt hier sehr geschraubt. Ich würde einfach das "d" am Ende weglassen.
Aus jenem schüchtern toten Wort:
floss in dir meiner Liebe Güte. Besser "in dich" und ohne Doppelpunkt?

Ich strich dem See am Nacken lang,
und Nebel zog unendlich tief:
mein Herz war einsam, mir war bang,
als ich in Dir schmachtend entschlief. Das passt so nicht in den Takt. So schon: "als schmachtend ich in Dir entschlief."

Ich nahm ein Messer in die Hand
und schnitt ein Loch in diesen Himmel.
Nun hat kein Gott Ferne entsandt; Hebungsprall "Gott Ferne". Die Zeile würde ich umschreiben, vielleicht so, dass das tolle Bild der kotzenden Schimmel besser erklärt wird.
von oben kotzten gelbe Schimmel.

Die Ferne ist, was mir gefällt,
die gläsern hoffend Licht gebiert -
der Sehnsucht Trost mein Heil erhellt,
auf das mein Wandern nie zerfriert. Das funzt nicht. "Zerfriert" klingt eher seltsam und lässt sich schwer auf das Wandern beziehen. Ich würde den Reim ändern: "die gläsern hoffend sich verspricht, // und wo ihr Trost den Weg erhellt, // dort fürchte ich die Schatten nicht."


Sehr gern gelesen und beklugfummelt!

LG, eKy
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