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Alt 19.05.2017, 20:59   #2
Erich Kykal
TENEBRAE
 
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Hi Koko!

Für ein Sonett sehr ungewöhnlich der Wechsel von 5- und 6-hebigen Zeilen:

5665 - 5665 - 656 - 556

Für das letzte Terzett hätte sich mein Herz für Gleichmaß natürlich 565 gewünscht, aber das ist wohl eher mein Problem ... Dem Werk schadet die kleine Abweichung keinesfalls, betont sogar noch die Conclusio.

Die Sprache ist wohlgesetzt und hochlyrisch, dazu hier noch ein paar Tipps:

S1Z3 - "wer kann noch sagen, wie ..." - das würde die eher unlyrische Verkürzung "heut" ersparen, klänge auch gediegener.

S1Z4 - Mit dem "einen" konnte ich zunächst nichts anfangen, da ich es automatisch als unbestimmten Artikel las und einen strophenübergreifenden Satz erwartete. Dass es "einen" im Sinne von "vereinen" heißen sollte, erkannte ich erst beim zweiten Anlauf.
Eine Stelle, die Missinterpretation herausfordert und wohl manchen Leser aus dem Takt wirft.
Besser erklären könnte es vielleicht diese Formulierung:

"wenn Wolkenschatten die Konturen einen." oder: "wenn Wolkenschatten die Kontur verneinen."

Das mit den Schäfchenwolken habe ich nämlich auch nicht verstanden:

Wenn die Himmel weinen, denkt man an einen Regentag. Das Bild der langen Bärte (tiefhängende Wolkenfetzen) verstärkt den Eindruck.
Schäfchenwolken sind aber an heiteren Tagen am blauen Himmel zu sehen - das Bild widerspricht dem zuvor aufgebauten!
Daher habe ich meinen Vorschlag dahingehend abgeändert, um beim regengrauen Bild zu bleiben.

Möglicherweise entgeht mir aber auch etwas - in diesem Falle bitte ignorieren!


Der Inhalt beschreibt eine surreale, grenzmagische Stimmung, verwoben mit Gesellschaftskritik: Im angepassten Wohlstandsstillstand erscheint dem Autor das Handeln der Menschen und sein Erleben desselben ähnlich surreal. Die Sattheit des Mittelmaßes macht auch hart und mitleidlos, Luxus und Blendwerk (strassbesetztes Bandmaß - übrigens mit "ß" nach langem Vokal! ) sind wichtiger als etwaige Gewissensbisse und inneres Revoltieren. In dieser Szenerie des behüteten Widersinns, in die man sich fallen lässt und zum Gefallenen wird, ist sich jeder nur noch selbst der Nächste - und zuletzt nicht einmal mehr dies, da man sich im Strudel der Eitelkeiten nur allzubald selbst verliert. Und die Erde weint darüber ...


Kann diese Deutung bestehen? Sehr gern gelesen und Gedanken dazu geschoben!

LG, eKy
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