Thema: Traumbilder
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Alt 30.05.2009, 09:35   #2
oliver64
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Hallo larin,

das ist sprachlich gekonnt bedichtet, keine Frage. Nur fällt eben sofort auf, dass du hier einiges zitierst, dich aus der Trickkiste vorhandener Werke bedienst. Das ist eine lässliche Sünde und man muss auch nicht jedes Mal das rad neu erfinden. Nur fiel mir unschön auf, dass du gleich mit der ersten Zeile sehr nah an Bonhoeffers "guten Mächten" bist und diese Nähe schmeckt mir in einem so selbstreferentiellem Gedicht eher nicht.

Aber davon abgesehen, kann ich inhaltlich ohnehin nicht viel damit anfängen. Das lyrIch entsteigt einem sehnsuchtsvollen Traum und bedauert, dass nicht dieser die eigentliche Realität ist. Das will ich gar nicht werten, das muss jeder für sich selbst tun, aber die Fortführung des Gedankens passt nicht: Wenn darüber gebarmt wird, dass der Traum nur Schaum ist, dann soll das Leben nicht wie der Traum sein, denn sonst wäre es ja auch nur Schaum.

Die Mittelstrophe macht noch deutlicher, dass der vermeintliche Wunsch des lyrIchs nur Lippenbekenntnis ist. Beklagt wird die alltägliche Routine, begehrt wird ein Rütteln am Bewährtem, doch wohin soll das führen: zur vollständigen Verschmelzung zweier Herzen, zu totaler Harmonie. Das ist nicht nur eine Schlagerromantik, die in ihrer Trivialität kaum zu unterbieten ist, sondern auch ein Widerspruch: Wo ist denn dann das Rütteln am Bewährtem? Nebenbei: Wertend muss man auch noch fragen dürfen, was eigentlich dagegen spricht, dass das lyrIch rüttelt? Will es überhaupt rütteln?

Nein, Strophe 3 sagt ganz klar, wo es lang geht: Eskapismus. Zurück in den Traum möchte das lyrIch. Und das Wabernde und Nebulöse dieser Träume scheint dann auch noch zu bewirken, dass lyrIch uns gar nicht sagen kann, was es sich erträumt: Es weiß nicht, was es will, aber davon bitte jede Menge. Die auslaufenden Punkte offenbaren schließlich die komplette Sprachlosigkeit.

Fazit: Das Gedicht ist eine Schlaftablette, sorry. Wenigstens ist es ein so melodisches Stück Lyrik, dass es einen wahrhaft sanft wieder in die Kissen drückt. Einem wachen Geist allerdings drückt es das Kissen eher auf das Gesicht.

Gruß
Oliver
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