Thema: bitte bleib
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Alt 16.01.2010, 02:10   #3
Smoertin
Lyrisches Wollknäuel
 
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Hallo Chavali:

auch ich will mich zu deinem Gedicht äußern, vorher jedoch noch das Metrum analysieren und gegebenenfalls Unstimmigkeiten, die es bei mir beim Lesen dieses Gedichtes gab, hier wiedergeben.


Zitat:
bleib doch und sag mir XxxXx
was ich nicht wissen will xXxXxX oder auch XxxXxX
bleib und sprich über XxXxx
das was war vor der zeit XxXxxX oder auch xxXxxX

komm und erzähl mir XxxXx
von all diesen jahren xXxxXx
ich mag es nicht hören xXxxXx
und bin doch bereit xXxxX

bitte bleib und sag mir XxXxXx
dass nur noch das jetzt zählt xXxxXx
im heute und hier xXxxX
ist unsere zeit xXxxX
Das Metrum ist meiner Meinung nach sehr anisotrop (wenn man dass in diesem Kontext sagen kann). Du siehst bei meinem obigen Versuch, dass ich bei der ersten Strophe schon vehemente Probleme in Vers 2 un 4 hatte, da es für mich zwei mögliche Varianten dazu gibt, diese zu lesen. Die erste Strophe liest sich sehr schlecht, woraufhin die zweite flüssig von den Lippen geht und ein gleiches Metrum besitzt. Die dritte schließt leider wieder an der ersten an und setzt mit mit dem willkürlichen(?) durchmischen aneinanderhängender Versfüße fort (es kommen Jamben, Daktylen, Trophäen und vielleicht sogar ein Anapäst in S1V4 vor).
Während die vier Verse der zweiten Strophe jeweils mit einem weiblichem Auftakt beginnen und in einer weiblichen Katalexe enden (bis auf Vers 4), kann ich in den anderen zwei Strophen kein gewisses Muster finden.
Die Silbenanzahl der Verse ist nicht isomorph.
Reime lassen sich folgende finden:

Zitat:
bleib doch und sag mir
was ich nicht wissen will
bleib und sprich über
das was war vor der zeit

komm und erzähl mir
von all diesen jahren
ich mag es nicht hören
und bin doch bereit

bitte bleib und sag mir
dass nur noch das jetzt zählt
im heute und hier
ist unsere zeit
abcd
aeed
afgd

Generell würde ich sagen, das Gedicht wurde im Vers libre geschrieben.

So, genug zur Metrik, nun zu meiner Interpretation:

Zitat:
bleib doch und sag mir
was ich nicht wissen will
bleib und sprich über
das was war vor der zeit
Hier gibt es beinahe nichts zu interpretieren, der Sinn kann wortwörtlich aus dem Text übernommen werden. Vers vier suggeriert lediglich, dass das Li vermutlich früher einmal dem Ld nahe stand.

Zitat:
komm und erzähl mir
von all diesen jahren
ich mag es nicht hören
und bin doch bereit
Strophe zwei schließt an den Sinn des Schlusses der S1 an und erzählt, dass das Li einer Sehnsucht nach diesem gewissen Ld empfindet, die sich jedoch in einer Zwickmühle aus Verlangen und Resignation äußert (V3-4)

Zitat:
bitte bleib und sag mir
dass nur noch das jetzt zählt
im heute und hier
ist unsere zeit
Die Conclusio kommt nicht überraschend. Die Resignation, die in S2V3 geäußert wird, wird hier schnell zurückgenommen und mündet in Verlangen nach dem Ld, Verlangen nach dem Vergessen der gemeinsamen Vergangenheit.

So, mein Resumé:
Ich bin von dem Gedicht eher enttäuscht, die Intention ist zu plausibel und ganz und gar nicht ingeniös, das Metrum ist schwach (Mehrfaches Lesen wird vorausgesetzt, um das Gedicht halbwegs Lesen zu können) und die Reime sind zwar interessant, jedoch nicht überzeugend genug.

Ich habe mich jedoch gerne mit diesem Gedicht befasst, vor allem, weil mir einige Gedichte von dir wirklich gefallen und ich denke, dass ausführliche Kritik vielleicht sogar nützlicher sein könnte als ein kurzes Lob??

Naja, whatever, ich geh jetzt schlafen und wünsche dir ein schönes Wochenende,

Herzliche Grüße,
Smoertin
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Geändert von Smoertin (16.01.2010 um 11:15 Uhr)
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