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Alt 17.07.2010, 17:25   #2
Lord Skarak
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Standard Grüß Dich, Walther!

Zunächst schreibe ich die Verse der Einfachheit halber in ihrer durch die Schrägstriche und Reime suggerierten Gliederung:

Zitat:
Zitat von Walther
Nach Troja so stand mir der Sinn
als wären da Seelen zu retten
Es müssen sich Zeiten verketten
Odysseus der Held starb dahin

Drum trage mich Sprache zum Ort
wo Griechen die Welten besangen
Es heißt es gäb Verse zu fangen
die klängen selbst stumm immerfort

Ich rufe die Wolkenäonen
und weihe mich selbst ihrem Wehn
Die Grenzen des Wissens zu sehn
will ich alle Winde bewohnen

Die Stadt und ihr Erdkreis zerstört
in Tiefen des Denkens vergraben
Die Schätze leichthändig zu haben
die Augen sind gerne betört

Sind Weise vergangen und tot
ihr Werk aber nur noch ein Ahnen
Vergebliches Warnen und Mahnen
der Tagschatten färbt sich schon rot

Als läge in Troja der Sinn
und wären auch Seelen zu retten
So müssen sich Verse verketten
und Streben im Sterben entfliehn
Du hast hier ein interessantes technisches Konzept ausgearbeitet. Eine Art hybrides Versmaß. Es ist eine interessante Idee, die Zäsur, welche in der Mitte des Hexameters steht, als Sockel für einen Endreim zu gebrauchen. Allerdings wird Dir klar Sein, dass es sich bei keinem Deiner Grundverse tatsächlich um einen Hexameter handelt. Sie beginnen bei Dir ausschließlich unbetont und haben teilweise männliche Kadenzen. Das fällt natürlich stark aus dem Konzept, sodass ich anfangs überlegte, ob Du vielleicht das hexametrische Versmaß spiegelverkehrt angewandt hast. Allerdings war das ja auch nicht möglich, da diese Verse durchaus auch weibliche Kadenzen besitzen.
Ansonsten ist aber ein gut einheitliches Versmaß zu erkennen, insbesondere in der von mir gegliederten Form dürfte das Ersichtlich werden. Eine Abweichung findet sich dann in der "Strophe 3", wo die beiden inneren Verse betont enden. In allen anderen ist es umgekehrt. Auch wird sich vielleicht mancher Betrachter daran stören, dass bei

Zitat:
will ich alle Winde bewohnen
um das Versmaß einzuhalten "ich" (ein Einsilber) betont werden müsste und des Weiteren "alle" auf beiden Silben unbetont stände, was eigentlich eher unüblich ist bei deutscher Metrik. So habe ich in Foren aber schon so manchen Dichter ihre Hexameter schreiben sehen. Ich denke es liegt daran, dass sich in solchen speziellen Fällen das Sprachgefühl und der Lesefluß nicht sonderlich "verletzt" fühlen, wodurch der Dichter diese Unfeinheit vielleicht selbst nicht bemerkt wenn er schreibt, weil er sehr in diesem trabenden, daktylischen Rhythmus denkt. Dasselbe gilt für "ihr Werk aber nur noch ein Ahnen", genauer "ihr Werk aber".

Inhaltlich ein sehr... abstrakter, vielleicht sogar surrealistischer Text. Es werden Zeiten und Verse zu Ketten, Verse sind auch "fangbar", Winde werden bewohnt, es gibt "Wolkenäonen". Hm. Ich muss jetzt aber los. Mit dem Inhalt setze ich mich, sofern es kein anderer eingehend tut, in meinem nächsten Kommentar auseinander (oder in einem Anhang den ich dann diesem hier hinzufüge).

Auf den ersten Blick macht es den Eindruck, vielleicht in der Kategorie Experimentelles besser aufgehoben zu sein, obwohl ich mir bei dem Rhythmus der im Lesen entsteht auch sehr gut eine Form von gleichförmigem "Mantra summen" vorstellen kann, wozu sowohl die kryptische Bildsprache wie auch die Kategorie "Spirituelles" gut passten.

Liebe Grüße,
Skarak
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