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Alt 17.12.2010, 23:13   #5
Falderwald
Lyrische Emotion
 
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Hallo Pedro,

was dein Protagonist Singh Bular hier erlebt hat, empfinde ich ebenfalls als eine Frechheit.
Allerdings hätte er besser einmal die Polizei kommen lassen, dann hätte der beschriebene Taxifahrer ganz schnell ein übles Verfahren am Hals gehabt, was ihn als Fahrer den P-Schein bzw. als Unternehmer sogar die Konzession hätte kosten können.
Denn das Personenbeförderungsgesetz schreibt eindeutig eine Beförderungspflicht des Taxis innerhalb seines Pflichtfahrgebietes vor.
Das weiß ich so genau, weil ich selbst lange Jahre Taxiunternehmer gewesen bin.
Es gibt nur ganz wenige Gründe, die es einem Taxifahrer erlauben, die Beförderung eines Fahrgastes abzulehnen und dazu gehört ganz bestimmt nicht ein fremdländisches Aussehen.
Deshalb kann ich die nicht zu verhehlende Empörung in dieser Geschichte auch gut nachvollziehen, denn ein "ordentlicher" Taxifahrer tut so etwas nicht.

Allerdings kann ich LyTaus Kritik an dieser Geschichte zum Teil ebenfalls gut nachvollziehen.
Und das liegt bestimmt nicht am ersten Teil, sondern mehr am letzten, in dem Taten geschildert werden, die mit dem eigentlichen Geschehen überhaupt nichts zu tun haben.

Wir haben hier auf der einen Seite einen äußerst stupiden Taxifahrer, der gar nicht wusste, was für einen Scheiß er da laberte und auf der anderen neofaschistische Gewalttäter, denen es sehr wohl bewusst ist, was sie anrichten. Und diese beiden Typen haben nichts, aber auch gar nichts miteinander gemeinsam.

Dem Taxifahrer kann keine der geschilderten Taten vorgeworfen werden.
Er hat lediglich aus Unwissenheit und Dummheit gehandelt, weil er glaubte, dies zu seinem eigenen Schutze tun zu müssen.

Die weiter unten geschilderten Vorfälle mit dem oben erzählten Erlebnis zu verknüpfen, schießt m. E. weit über das Ziel hinaus.

Und wenn das wirklich die Gedanken des Protagonisten bezüglich eines einmaligen persönlichen, durchaus sehr ärgerlichen Erlebnisses waren, denn ihm war ja bisher nichts dergleichen passiert, dann reicht sein geistiger Horizont keinen Deut weiter, wie der des Taxifahrers.
Was hat er denn in den 20 Jahren, die er hier lebt, erfahren müssen, was ihn jetzt so auf das ganze Land schließen lässt?

Das ist die Frage, die deine Geschichte in der vorliegenden Form unbeantwortet lässt.

Ich bin auch der Meinung, daß die Botschaft in dieser Erzählung einiges zu wünschen übrig lässt, denn sie bedient sich hier eines ziemlich üblen Klischees.

Persönlich denke ich, daß es der Preis für eine relativ freie Demokratie ist, auch mit den negativen Elementen und Bestrebungen der Gesellschaft leben zu müssen, die zwar nicht wünschenswert, aber dennoch vorhanden sind.
Und weil wir hier in Deutschland leben, fällt dies, durch die Umstände unserer jüngeren Geschichte, viel schwerer ins Gewicht als in jedem anderen Staat dieser Welt, wo es Tag für Tag genau die gleichen Probleme gibt.

Und ich weiß nicht, was an einem deutschen, gewaltbereiten Nationalisten schlimmer sein sollte, als an einem amerikanischen, französischen oder jenen anderer Nationalitäten.
Im Gegenteil ist Deutschland eines der liberalsten Länder in Bezug auf Ausländerpolitik überhaupt.
Keine Frage, das Fehler gemacht wurden, aber solche Taten, wie die hier beschriebenen, sind allesamt Taten von Einzelnen, die kein normaler Mensch gutheißen kann und damit auch kein Spiegelbild unserer Gesellschaft darstellen.
Ich kann mich als gebürtiger Remscheider noch genau an den Brandanschlag auf ein Asylbewerberheim in der Nachbarstadt Solingen erinnern, der genau in dem Jahr stattfand, in der deine Geschichte angesiedelt ist.
Und wir sind damals alle auf die Straße gegangen, um unsere Solidarität mit den Opfern zu bekunden und ich kenne niemanden, der nicht echte Trauer, Wut und Empörung über dieses feige Tätergesindel empfunden hätte.
Noch heute erinnert ein Mahmal an diese schreckliche Tat.

Gerade in der heutigen Zeit, wo die Integrationsdebatte, allerdings aus einem ganz anderen Hintergrund, wieder in den Mittelpunkt rückt, braucht es versöhnliche Stimmen und nicht jene, die wieder Wasser auf die Mühlen gießt.


Trotz aller Kritik gerne gelesen, kommentiert und mitdiskutiert...


Liebe Grüße

Bis bald

Falderwald
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Oh, dass ich große Laster säh', Verbrechen, blutig kolossal, nur diese satte Tugend nicht und zahlungsfähige Moral. (Heinrich Heine)



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