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Alt 15.06.2011, 20:16   #4
Falderwald
Lyrische Emotion
 
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Servus larin,

zuerst einmal möchte ich mich etschuldigen, daß meine Antwort etwas länger gedauert hat als üblich.
Aber wenn man ein so gekonntes Antwortgedicht erhält, dann braucht es die richtige Stimmung für eine anerkennende Replik.
Heute war es soweit...

Zitat:
Feiwilige Knechtschaft? Na, ich weiß nicht...
Nun, das kann man nehmen, wie man will.
Besser eine freiwillige, als eine auferlegte...


Von Seelen hat der Dichter nie gesprochen,
die sind noch immer ziemlich unbewiesen,
er hat die Herzen und nicht Gott gepriesen,
der Wille bleibt auf ewig ungebrochen.

So sind die guten Seiten und die fiesen
in allen dichterischen Zeitepochen
auch nie bei einem Streit zu Kreuz gekrochen
und stürzt es sie auch in die schlimmsten Krisen.

Ein freier Geist ist nur in sich gefangen,
nur so kann er zu seinem Sinn gelangen,
sein Innerstes ist der zentrale Ort.

Die Lüge ist das Werk von falschen Schlangen
und die kann nur der wahre Dichter fangen,
denn seine Waffe ist das scharfe Wort.


Warum narrenfrei? Die Narren sind mir auf jeden Fall lieber als die Heiligen.
Die einen können nichts dafür, die anderen wollen es so.

Dein AntwortGedicht war auch so nett.
Dankefein


Moin Stimme,

ich stimme dir zu, die beiden Seiten sind in uns allen auf ewig vereinigt.
Wie könnte es auch anders sein, denn wir erfahren ja nur durch die Relation des Gegensätzlichen unsere Welt.
Der wahre Dichter aber ist sich dessen stets bewusst, denn seine Aufgabe ist es, diese Relationen zu beschreiben. Nur so ist es zu erklären, daß ein gutes Gedicht so faszinierend auf den interessierten Leser wirkt.
Was ich aber bezweifele ist, daß schwarze Kerzen weiße Schatten werfen.
Ein Schatten ist immer schwarz...

Nicht immer sind inneren Kämpfe zu gewinnen. Dabei kommt es auf die Stärke des Willens an. Und der trägt oft genug den Sieg davon, weshalb ich dir Recht gebe, daß man sich selbst davor nicht verschonen kann, aber andere schon, das ist auch klar. Aber müssen tut man das nicht und solange es dann rein verbal und intellektuell geschieht, wäre dies im wahrsten Sinne des Wortes eine menschliche Auseinanderetzung - und zwar die einzige. Alles andere ist nicht besser als im Tierreich.

Warum könnte das Licht nicht ohne den Schatten existieren? Ich denke, das könnte es schon. Aber ein Schatten ohne Licht?
Licht ist eine Energieform. Die Physik sagt, es seien elektromagnetische Wellen und Schwingungen, die sich im Vakuum mit gleichmäßiger, also Lichtgeschwindigkeit geradlinig ausbreitet.
Für einen Schatten bedarf es also zunächst einmal eines Körpers, auf den das Licht trifft, der dann wiederum den Schatten "wirft", um ihn quasi auf einen zweiten Körper zu "reflektieren", rein bildhaft gesprochen, versteht sich.
Da wir aber von einer (mehrerer) natürlichen Lichtquelle "umgeben" sind, nämlich der Sonne und wir selbst körperliche Wesen auf einem Planetenkörper sind, entsteht bei Sonneneinstrahlung immer ein Schatten, so daß das jetzt schon passt zur Interpretation meines ersten Terzetts.
Ich wollte nur, daß du dir es nicht so enfach machst, denn meine Intentionen sind gewaltig.

Zitat:
Die "Freiheit" kann man sich nur durch die eigene Entscheidung nehmen.
Kann man, muss man aber nicht. Auch das wäre eine Entscheidung.

Zitat:
In wie weit jemand bereit ist, sich selbst zu beschränken, hängt von der "inneren" Bereitschaft dazu ab.
Die innere Bereitschaft setzt aber ein Motiv voraus. Die Beschränkung hängt also von diesem und dem Willen ab.

Zitat:
Wie weit kann man gehen?
Adolf Hitler und Mutter Theresa. Überall dazwischen und noch darüber oder darunter.

Zitat:
Wie viel Freiheit gestattet man sich, ist bereit, sich selbst oder Andere unter Umständen zu verletzen?
Wir müssten das "Verletzen" eigentlich jetzt näher definieren. Wo fängt es an, wo hört es auf?
Man darf nie vergessen, daß der Mensch aus der Natur stammt, die zwar die Lebensbedingungen stellte, aber um funktionieren zu können, auch ständig überwunden werden muss, so daß jedes Lebewesen auch ein Krieger ist.

Zitat:
Sich selbst zu belügen bedeutet, sich dessen nicht bewusst zu sein.
Nein, nein, die meisten belügen sich nicht selbst, die wissen ganz genau wie sie sind, sie geben es nur nicht zu und versuchen einen anderen Anschein zu erwecken. Sonst könnten sie nämlich nicht existieren.

Zitat:
Nur ist meine Meinung hier mit der Conclusio nicht völlig in Übereinstimmung. Ich entschied mich dafür, mich selbst bis zu einem gewissen Grad "gefangen zu setzen", mir liegt trotz Ehrlichkeit nichts daran, andere zu verletzen. Dafür verzichte ich freiwillig auch auf ein "Stückchen" Freiheit. Das "Gradmaß" dessen ist immer die Entscheidung jedes Menschen, ganz individuell. Wobei diese Wahl ungezählte Male getroffen werden muss, in jedem einzelnen Fall aufs Neue - und Ehrlichkeit ist unabdingbar, vor Allem gegenüber sich selbst.
Grundsätzlich stimme ich damit überein. Wenn wir aber ehrlich sind, dann sind dies nur persönliche Moralvorstellungen und damit nicht allgemein gültig, wie das alltägliche Geschehen immer wieder zeigt.
Ständig werden wir mit dem Gegenteiligen konfrontiert und wenn dabei die Wahrheit bewusst von einer Seite verletzt wird und man im "Guten" nicht voran kommt, dann bleibt als letztes Mittel nur der Dolchstoß mit der Wahrheit. Und wie verletztend die sein kann, wissen wir doch alle, oder?
Jeder glaubt das Richtige zu tun, sonst würde er es nicht tun. Dabei ist seine Moral die beste, was sie auch sein muss, denn er existiert mit ihr und so kommen wir wieder in den alten Konflikt zwischen Gut und Böse.
Es ist und bleibt eine Frage des eigenen Standpunkts, von dem er sich seine Vorstellung von dieser Welt und der sich darin befindenden Freiheit macht.

Und genau das ist das Spinnennetz, indem der Dichter gefangen ist.
Gefangen in Freiheit des eigenen Spinnennetz.
Und dafür ist Ehrlichkeit unabdingbar, vor Allem gegenüber sich selbst.

Vielen Dank für deine kritische Auseinandersetzung mit meinem Text.


Ich danke euch beiden für Zeit und Mühe und die schönen Kommentare.


Liebe Grüße

Bis bald

Falderwald
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Oh, dass ich große Laster säh', Verbrechen, blutig kolossal, nur diese satte Tugend nicht und zahlungsfähige Moral. (Heinrich Heine)



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