Thema: Balanceakt
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Alt 06.07.2011, 19:17   #4
Stimme der Zeit
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Hallo, liebe Chavali,

im Hinblick auf die Metapher der schwankenden Brücke schließe ich mich Thomas an. Ich hatte beim Lesen der ersten Strophe zunächst das Bild einer Hängebrücke mit Seilen vor Augen, bis ich dann in der zweiten von Balken las. Dort wechselte mein "gedankliches Bild" dann zu einer dieser alten Holzbrücken, die schon ein wenig morsch sind. Gut gewählt finde ich die Erwähnung des Sturms, denn ein Wind könnte Balken nicht biegen, dafür muss schon ein Sturm seine Wirkung ausüben.

Der Weg in die Zukunft ist oft ein Balanceakt, denn unvertrautes Gelände sorgt für ein "unsicheres Gefühl". Oft weiß man ja vorher nicht, ob die Brücke hält und was einen dann auf der anderen Seite erwartet ...

Mir gefällt allerdings gerade der "Lichtblick" in der dritten Strophe. Ich habe eine Schwäche für Hoffnung und Optimismus.

Ich hoffe, du fasst es nicht falsch auf, wenn ich dich bitten möchte, an ein, zwei Stellen noch ein bisschen "rund zu feilen". Wie du mittlerweile sicher bereits weißt, stören mich Kleinigkeiten ja nur bei Gedichten, die mir ansonsten sehr gut gefallen - gerade deshalb eben ...

Am Metrum habe ich nichts auszusetzen, mir ist klar, dass die "Schwankungen" der Versanfänge sicher beabsichtigt sind, es passt auch gut zum Inhalt.

Zitat:
Hohl pfeift der Sturm, die Balken sich biegen,
ächzen im Takt meines Gehens.
Hier musste ich ein wenig schmunzeln, denn mir kam sofort das Sprichwort "Lügen, dass sich die Balken biegen" in den Kopf. Mein Vorschlag zur Güte wäre:

Hohl pfeift der Sturm, wo Balken sich biegen,
ächzen im Takt meines Gehens.

Im Sinnzusammenhang: Wo Balken sich biegen, wo Balken ächzen. Es würde, meiner Meinung nach, auch inhaltlich besser passen.

Zitat:
und in Verunsicherheit wiegen.
Es gibt "Unsicherheit" (was metrisch nicht passt) oder "Verunsicherung" (passend). Aber das Wort "Verunsicherheit" gibt es leider nicht. Es sei denn, es ist ein absichtlich von dir platzierter Neologismus - dann nehme ich alles zurück.

Jetzt natürlich noch ein Lob, denn ich weiß, dass du in solchen Dingen keine Fehler mehr machst:

Zitat:
Da ist schon das Ende des Grauens in Sicht,

und reinigt verwirrendes Dickicht.
Dort hinten erblick ich erhellendes Licht.
Hier bin ich mir sicher, dass "verwirrendes Dickicht" absichtlich unbetont endet. Es ist, im Gegensatz zu den anderen "positiven" Metaphern, ja auch eine "negative" Aussage. Dafür ein Kompliment, das finde ich sehr geschickt gemacht.

Der Fluss der Zeit spült die Vergangenheit weg, denn er fließt unaufhörlich. Er trägt die schlimmen Erinnerungen und Ängst mit sich fort, und das ist gut so.

Sehr gerne gelesen und kommentiert.

Liebe Grüße

Stimme
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Geändert von Stimme der Zeit (11.07.2011 um 20:31 Uhr)
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