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Alt 18.07.2011, 17:17   #6
Stimme der Zeit
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Hallo Faldi,

ich lasse mir bei manchen Gedichten gerne etwas Zeit, bevor ich kommentiere. So auch hier.

In einer Hinsicht stimme ich meinen beiden "Vorkommentatorinnen" vollkommen zu: Du verstehst es wirklich, tiefe und intensive Gefühle mit Sinnlichkeit zu vereinen und so eine ganz besonders dichte und erotische Atmosphäre zu erzeugen.

Dieses Gedicht drückt Verlangen aus, rein und unverfälscht. Richtig schön!

Zunächst möchte ich sagen, dass mir der Titel gefällt, ich finde ihn sehr "intensiv". Eben mit "einem Schlag frei", das klingt für mich nicht "gewalttätig", sondern eher - wie drücke ich das am besten aus - wie der eine, gefühlte Moment in dem man sich fallen lässt und jede Zurückhaltung aufgibt; spontan, genau jetzt. Besser kann ich es nicht formulieren. Eben ein tiefes Gefühl von: "Wamm!", das "Sich-Fallen-lassen", der Moment, in dem Angst oder Scheu von einem "abfallen" und man sie "hinter sich lässt".

Die Versanfänge üben eine ähnliche Wirkung aus, man wird in den jeweiligen Vers "hineingezogen". Ich nehme die "Atmosphäre" wahr, aber sie schriftlich darzustellen ist für mich jetzt ein bisschen schwierig. Ich hoffe, es geht so einigermaßen. Irgendwie "fällt" man in die Zeilen "hinein". Das liegt nicht allein am Versmaß, du verwendest Verben, Adverben, Substantive und Adjektive - aber keinen einzigen Artikel am Versbeginn. Diese Auswahl übt eine starke Wirkung aus. Hinzu kommen noch die rein männlichen Kadenzen. Das "verstärkt" den Inhalt noch.

Durch die Repetitio im ersten Vers des Gedichts setzt du gleich einen starken "Einstieg" in dein Werk. Im ersten Vers der 2. Strophe wiederholst du dieses Stilmittel. Auch das ist gut platziert, sehr gelungen.

Du hast jeweils im ersten Vers einer Strophe einen Trochäus eingebaut (übrigens sitzt genau dort auch die männliche Zäsur), diese Verse sind auch eine Silbe kürzer; das gibt ihnen eine Art "Kraft" und es wirkt wie eine Taktgebung, der man dann erst richtig in den daktylischen Rhythmus folgt. "Berge" und "Täler", ich sehe das wie "Wellen" - was wiederum analog zu den von dir beschriebenen Empfindungen geht.

Spüren, (heben), sprühen, ziehen, schwingen, hören, reizen, treffen, berühren, wollen, (fest)halten, lassen, fallen, schmecken, (zurück)bringen, stürmen, entführen, enthüllen, erfüllen. Und das sind nur die Verben. Was für eine Gefühlspalette!

Wenn ich richtig gezählt habe, hast du im ganzen Gedicht nur 3 Adjektive verwendet ...

Dann wären noch die Vokale in den Endreimen zu erwähnen. Strophe 1, 3 und 4 sind mit einer "Mischung" bestückt, etwas "dumpfer" im Klang (durch das e, das neutrale a bei "au" und das ü aber eher "gemildert", durchaus nicht wirklich "dumpf", denn du verwendest kein o und kein reines u) als die durchgehend hellen Vokale (in allen 4 Versen "ie") in Strophe 2 - übereinstimmend mit dem Inhalt. Auch das ist ein feines "Stück Arbeit".

Und ja, die Zäsuren sitzen auch.

Aber ein kleines bisschen "kritteln" muss ich hier trotz der Tatsache, wie gelungen ich dein Gedicht als Ganzes finde. Mir sagt die Formulierung in Vers 2, Strophe 1 nicht so zu, denn wie "hebt" sich ein "Bauch"? Ja, ich weiß natürlich, dass es im "übertragenen Sinne" zu verstehen ist. Dennoch blieb ich hier irgendwie "hängen". Die plastische Vorstellung wirkt auf mich ein wenig erheiternd ...

Das Problem in Sachen Vorschläge ist: Ich schreibe vollkommen anders wie du, das macht es schwierig. Beim Nachdenken kam ich auf einige Möglichkeiten, aber sie "passten" nicht zu deinem "Stil". So ginge es vielleicht:

Schmetterlingsflügel, ein Flattern im Bauch,
Schmetterlingsflügel, sie flattern im Bauch,

(Nun ja, nicht besonders. Ich stelle fest, dass ich mich in Sachen "Wie schreibt er, wie folge ich seinem Stil" recht schwer tue ... Nimm es einfach als Anregung.)

Etwas merke ich an, denn ich habe in Strophe 3, Vers 2 "lasse - lässt" bemerkt (es ist nicht genau ein Kyklos, wohl ein Sonderfall, für den ich den Namen nicht kenne), dem ein weiteres "lass" in Strophe 4 folgt. Für mich ist diese Wiederholung stilistisch völlig in Ordnung, es gefällt mir sogar - ich wollte es nur mal erwähnen. (Mir ist klar, dass eine solche Wiederholung bei dir Absicht und kein Fehler ist.)

Und über den "wilden Magnet" könnte man streiten, mir persönlich würde evtl. "starker Magnet" etwas besser gefallen, aber ich denke, du möchtest hier "wild" haben. Nun ja, Ida hat natürlich recht, es gibt keine "wilden Magnete", aber im Sinne von ein wenig "dichterischer Freiheit", warum nicht? Jedenfalls ist "wild" als Begriff gut passend. (Im Gegensatz zum "sich hebenden Bauch".)

Und was Strophe 2, Vers 2 betrifft:

Mein persönlicher Eindruck: Ein schönes, sehr gelungenes erotisches Gedicht. Lob, wer Lob verdient; sowohl den Inhalt als auch die Ausarbeitung betreffend. Ich könnte das nicht so schreiben.

Sehr gerne gelesen und kommentiert.

Liebe Grüße

Stimme
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