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Alt 30.07.2011, 09:25   #5
Stimme der Zeit
Erfahrener Eiland-Dichter
 
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Hallo, Galapapa,

ich finde dein Gedicht ebenfalls gut gelungen. Die identischen Endreime "All", und ganz besonders die Epipher "tief im All" (du hast beides also miteinander verbunden), gefallen mir sehr.

Was ginTon sagt, stimmt, der "Walzertakt" des Amphibrachys neigt dazu, einen Text normalerweise eher "schwingen" zu lassen. Dein Gedicht ist geeignet, um aufzuzeigen, dass es auch anders sein kann. Meiner Meinung nach liegt es a) an der "Wortwahl" und b) an den angewandten Stilmitteln, die du auf die männlichen Kadenzen "gelegt" hast - das verstärkt die "Wirkung" bzw. "Eindringlichkeit" der enthaltenen Aussage. Auch die sehr eindringlichen Adjektive tragen sicher das ihre dazu bei.

Eine kleine Inversion hast du drin, aber sie stört nicht sehr. Das Einzige, woran ich ein bisschen knabbere (nicht im "technischen", sondern im "inhaltlichen" Sinne) ist der letzte Vers im Gedicht. Das liegt am Singular: "ich fühlte, ich hatte ..." und dann der Plural: "wie ziellose Trümmer ...". Eigentlich kann das LI nur "ein Trümmerstück" sein, das bekomme ich irgendwie nicht ganz "zusammen". Meines Erachtens nach liegt das am Adjektiv "ziellos". Wenn man statt dessen "zahllos" einsetzt, ergibt das einen direkten "Vergleich" zwischen Ein- und Mehrzahl; ich hoffe, du verstehst, was ich ausdrücken möchte. (?)

Natürlich ist das nur mein ganz persönlicher Eindruck, ich meine das nicht wirklich als Kritik. Da zuvor niemand etwas Diesbezügliches anmerkte, kann ich natürlich auch daneben liegen. Nichts für ungut also, in Ordnung?

(Von den Regeln der Kommasetzung her muss das Komma bei "... und Trost, ohne Schall" bleiben, da ein Zusatz bzw. Nachtrag ein Komma erfordert. Das hat aber mit der Zäsur an sich nur indirekt zu tun, da hat ginTon recht!)

Zum Inhalt:

Zitat:
Dein Blick, als ich ging, war ein Schlag in die Seele,
ein Schrei ohne Hoffnung und Trost, ohne Schall.
Ich wandte mich ab, so dass er mich verfehle.
Er traf mich ganz lautlos - ein Schrei tief im All.
(Schön übrigens: Schlag-Schrei-Schall-Schrei, das möchte ich noch erwähnen.)

Der "anklagende" Blick des LD trifft das LI tiefer, als er/sie wahrhaben möchte. Also wird versucht, dem auszuweichen, aber es gelingt nicht. Das "schlechte Gewissen" (sich-schuldig-fühlen?) sorgt dafür.

Zitat:
Die Tränen in deinen bezaubernden Augen
verfolgen mich quälend bis heut überall,
als wollten sie still jene Schuld aus mir saugen,
mich höhlen so leer, wie das Nichts tief im All.
(Nächstes "Sch" - Schuld.)

Auch nach längerer Zeit scheint sich das LI noch immer "schuldig" zu fühlen. Das asoziiere ich mit einem "Unrecht" - böswilliges Verlassen? Irgendwie kann ich nicht umhin, das dem LI irgendwie zu "gönnen" ...

Zitat:
Dein Schweigen drang tief in die schuldigen Ohren,
dein wortloses Klagen war hart wie Metall,
ich fühlte, ich hatte den Boden verloren -
wie ziellose Trümmer im endlosen All.
(Hier "Schweigen" und "schuldigen".)

Der "schweigende Vorwurf", ich frage mich, ob das tatsächlich so ist, oder das LI sich so schuldig fühlt, dass es so "wirkt". Macht er/sie sich vielleicht die "Vorwürfe" eher selbst? Gerät das LI deshalb so aus dem Gleichgewicht, dass es sich haltlos, ziellos und verloren vorkommt? Mir scheint es eher so zu sein.

Ein emotional sehr eindringlich wirkendes Gedicht, wobei ich allerdings gestehen muss, dass ich das LI nicht sonderlich "bemitleide" ... (LI und Verfasser sind nicht identisch, das hast du Ida bereits geschrieben, daher kann ich das ja unbesorgt zugeben!)

Sehr gerne gelesen und kommentiert.

Liebe Grüße

Stimme
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