Hallo, Thomas,
der Aufbau ist sehr interessant. Die ersten 4 Verse haben 6 Hebungen. Dann folgen 3 Verse mit 5 Hebungen, danach ein Vers mit 4 und im letzten Vers 3. Das ergibt auch eine, wie ich finde, ansprechende optische Form.
Die durchgehend männlichen Kadenzen geben diesem Gedicht mit leicht (aber
nicht übertrieben, wie ich finde) "auf- bzw. erzählerischem" Charakter eine Art "kraftvolle" Wirkung. Es liest sich durch das stringente Metrum sehr flüssig.
Das Reimschema ist abwechslungsreich: ababcecae. Also formal betrachtet: Mir gefällt es gut, und, wie oben bereits angesprochen, zum "Charakter" passen auch die vier "und". Sie stören mich hier überhaupt nicht.
Zitat:
Morgendämmerung
Wenn morgens früh die Luft noch auf dem Boden liegt
und sich von Gras und Kräutern gar nicht trennen mag
und auf den Blütenblättern kleine Tröpfchen wiegt,
eh sie vergehen müssen, mit dem neuen Tag,
Wenn dann der Bussard seine Flügel hebt, - wenn bitte klein
wie betend in den Sonnenstahlen ruht,
und bald erhaben über Wipfeln schwebt; - siehe Erklärung unten
dann endlich ist die Nacht besiegt,
und alles wieder gut.
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Deine Beschreibung der Morgendämmerung finde ich gut gelungen, mir gefällt die Idee der "auf dem Boden liegenden Luft". Auch ansonsten ist der Inhalt stimmig und "malt" ein schönes Bild.
Bis auf eine Stelle, mit der ich Schwierigkeiten habe: "Ruht" ein Bussard im Flug? Wenn er seine Flügel hebt und über Wipfeln schwebt, kann er doch eigentlich nicht wirklich "ruhen". "Gleiten" wäre zutreffend, aber das passt leider reimtechnisch gar nicht - und eben so wenig zum "beten" ...
Vielleicht denkst du darüber nach? Ich müsste für einen Vorschlag quasi zwei Verse sehr verändern, und das mache ich für gewöhnlich nicht. Das "greift" zu tief in ein Werk "ein", das ja nicht meines ist ...
Abgesehen von dieser Stelle gefällt es mir sehr gut!
Gerne gelesen und kommentiert.
Liebe Grüße
Stimme