Thema: Halloween
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Alt 02.11.2011, 14:31   #4
Justin
Erfahrener Eiland-Dichter
 
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Liebe Dana,

wenn etwas kritisch zur Sprache käme, wußte ich, daß es sich um die 4. Strophe handeln würde. Dein Einwand ist aber richtig, denn der Lesefluß ist wirklich eingeschränkt. Deshalb nehme ich Deinen Änderungsvorschlag gerne an - das betrifft ebenso den Schluß. Dadurch liest sich das Gedicht flüssiger. Die 4. Strophe ist zum Jambus geworden, weil ich damit die inhaltliche Aussage betonen wollte, daß der Brauch "von Irland nach Amerika" gekommen ist. Es wäre nicht einfach gewesen, im Trochäus fortzufahren. Dieses Versmaß habe ich dann unbewußt beibehalten und den Kontrast erst bemerkt, als das Gedicht stand. Ursprünglich hatte ich gereimt:

Von Irland nach Amerika,
war dieser Brauch ganz plötzlich da.

Da der Bezug zum eigenen Land fehlte, habe ich das schließlich verändert, was mir nicht so gut gelungen ist. Obwohl in der deutschen Dichtung der Jambus dominiert, ist es nach meiner Erfahrung auch möglich, einen fließenden Trochäus durchzudichten. Nur in diesem Beispiel war es anders, vielleicht auch deshalb, weil ich mich stärker auf die inhaltliche Abfolge konzentriert habe. Das zum Gedicht selbst.

Nun etwas zu den alten Bräuchen. Die müssen wir nicht alle schön finden. Sie haben sich trotzdem eine größere Ursprünglichkeit bewahrt und kommen unspektakulär daher. Weil sie nicht groß aufgebauscht werden, sondern zur Kultur gehören. Darin liegt ihr großer Vorteil, der aber leider nicht so recht bemerkt wird. Alles ist heute von einer Event-Kultur durchsetzt, bei der die Party-Stimmung nicht fehlen darf. Das mißfällt mir ebenso wie Dir und es stimmt, wenn Du sagst, daß oftmals gar keine Kenntnisse vorliegen, was eigentlich gefeiert wird.

Man sieht die Sache mit einer gewissen Distanz, kann aber damit leben, weil es noch schlimmere Aufreger gibt. Übrigens bekommen alle "Gespenster" ihre Süßigkeiten. Manchmal waren es 3 Grüppchen, die vorm Haus standen, vorgestern nur ein Junge.

Deine Zustimmung zum Gedicht hat mir gut getan, zumal Du die beiden Versmaße toleriert hast.

Liebe Grüße

Justin



Liebe Stimme,

es trifft sich gut, daß auch Du den Brauch von den geschnitzten Runkelrüben noch aus Deiner Kindheit kennst, weil dadurch eine gemeinsame Basis besteht. Besagte Nachbarin im Gedicht war Tante Frieda , die uns ab und an in der Landwirtschaft half, besonders zur Erntezeit. Wenn im Herbst Runkeln geholt wurden, baten mein Bruder und ich immer, wieder eine Runkel(rübe) auszuhöhlen. Das konnte sie nämlich sehr gut. Dieser Bitte ist sie gern nachgekommen, oft sogar unaufgefordert. Tante Frieda ging einfach in den Keller, holte sich eine Runkel und begann mit dem Schnitzen. Ich selbst habe es nie probiert, glaube aber, daß sich eine Rünkel schwerer schnitzen läßt als ein Kürbis. Dafür sieht sie gruseliger aus, wie Du richtig sagst.

Wie ich sehe, gefällt auch Dir das Überschwappen irgendwelcher Moden, die wahllos übernommen werden, gar nicht. Sie kommen zu uns, nur weil man meint, es sei "in" und man dürfe sie nicht draußen lassen. Nur hat das alles nichts mit unserer Kultur zu tun und ist künstlich aufgesetzt. Man hat oft den Eindruck, als ob rein gar nichts ausgespart bleibt. Nach Halloween soll es sogar schon zu "stags and hens-partys" mit Junggesellen/innen-Abschieden gekommen sein. Jedenfalls decken sich unsere Ansichten, und auch Dana hat in diesem Sinne geschrieben.

Die Überlieferung vom Samrain-Fest kannte ich bereits. Da hier aber auch andere mitlesen, schadet es gar nichts, daß Du sie erwähnst. Nicht angesprochen hast Du die Fenster, die offen gelassen wurden, um die Seelen der Toten hereinzulassen...

Es ist möglich, daß dieses Gedicht Kindern gefallen könnte. Aber man sollte sie ruhig ein bißchen aufklären. Viele nehmen sonst an, das Schnitzen von Kürbissen bzw. Runkeln hätte es in der Vergangenheit gar nicht gegeben und sei erst mit Halloween aufgekommen. Ganz bestimmt nur wenige Eltern haben ihren Kindern davon erzählt Auch wenn manchmal was in der Zeitung stehen mag, wird es nicht immer gelesen.

Sehr nachdenklich geworden bin ich, als Du vom Alten und Neuen sprachst, das gut bzw. schlecht sein kann. Meine persönlichen Erfahrungen passen so gar nicht zum vielgepriesenen Fortschritt, und es ist schwer, damit leben zu müssen. Es tut weh, wenn in Hochglanzmagazinen meist nur ein rosarotes Bild entworfen wird. Denn dazu gibt es immer auch eine Kehrseite. Dieser Fortschrittsgläubigkeit verfallen leider viele Menschen. besonders wenn sie die medizinische Machbarkeit überbewerten. In diesen Strudel bin ich hineingeraten und weiß, welche deprimierenden Fehleinschätzungen man sich im Namen des Fortschritts geleistet hat. Wer anatomisch nicht bedient werden kann, steht plötzlich im Abseits. Diejenigen, die man damit "beglücken" konnte, sind plötzlich die Umworbenen. Diese Bitterkeit muß man erst mal erlebt haben...

Noch etwas zum Gedicht. Die kleinen Änderung wegen der Betonung werde ich ausführen. Und natürlich ist auch das Komma überflüssig und wird deshalb gestrichen. Es wurmt mich schon ein bißchen, weil die Strophen nicht im einheitlichen Versmaß stehen. Gleichzeitig stimmt es versöhnlich, wenn Du von einem 4:4-Verhältnis bzw. der Gegenüberstellung von Tradition und (Lebens)Rhythmus sprichst.

Also brauche ich mich nicht ganz zu schämen.

Ich danke Dir zuletzt für Deinen netten Eintrag, den ich gern gelesen habe.

Liebe Grüße

Justin
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