Guten Morgen, Walther,
na, das klingt ja nach einem interessanten "Alter Ego", das sich in Schlingensiepe "manifestiert". Irre ich mich, oder schuf der "Alltags(ver)dichter" da den "typischen unangenehmen Mitbürger", der alles besser weiß, alles besser machen würde, wenn man ihn nur ließe - und der eigentlich von nichts wirklich Ahnung hat? Die Sorte Mensch, die es schafft, jedem restlos auf die Nerven zu gehen, der nicht von "der gleichen Sorte" ist?
(Ich habe auch die anderen "Schlingensiepe"-Gedichte bereits gelesen.)
Zitat:
Jetzt, wo man ihn losgelassen,
Bleibt nur Lieben oder Hassen:
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Oh, ich denke, ich tue frecherweise Ersteres. Als "Spiegel" könnte man die "Gestalt" lieben, denn er spiegelt die "unangenehmen Seiten" wider - von denen sich, wenn man ganz ehrlich ist, niemand "freisprechen" kann. Ich auch nicht!
Und hassen - na, das ist nicht mein Fall. Über "Verabscheuen" geht bei mir nichts hinaus, ich finde, Hass macht mich zur "Kopie dessen, was ich als hassenswert erachte". Und, ohne Arroganz: Ich möchte nicht zu "meinem eigenen Feind" werden. Meine Fehler kenne ich, und ich arbeite immer daran - zugegeben mal mit mehr, mal mit weniger "Erfolg". Und ja - angenehm ist es nicht, sie sich "näher anzuschauen". Aber hilft nichts, da muss ich "durch".
Sind wir nicht alle ein bisschen Schlingensiepe?
Zitat:
Setzt sich auf dem Bildschirm fest,
Wenn man ihn dort sitzen lässt.
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Ich lasse ihn dort sitzen, gerne. Außerdem hat so eine "Wortkunstfigur" den unbestreitbaren Vorteil, den Dichter davor zu bewahren, ständig mit dem LI "gleichgesetzt" zu werden ...
Zitat:
Er ist des PCs Klaubauter-
Mann und -frau zu gleichen Teilen.
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Übrigens ein Kompliment für dieses Enjambement, das sehr schön "zwei" Bedeutungen trennt, verbindet und auch erzeugt.
Zitat:
Und ist ein Gedankenfresser,
Die er gerne kirschkernspuckt
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Und hier ein Lob für die originelle Umsetzung! Wobei er sicher
das als "Kirschkern" ausspucken wird, was
er für den "Kern der Sache" hält.
Der vierhebige Trochäus passt gut (auch die Kadenzen), und hat, wenn ich mich nicht irgendwo "verlesen" habe, soweit erkennbar, keinen Fehler. Eine kleine Anmerkung möchte ich allerdings (inhaltlich) machen:
Zitat:
Und dem Irrsinn schrecklich nah.
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Ich finde "Irrsinn" hier zu heftig, das wirkt auf mich doch etwas "zu dick aufgetragen", und zu "ernsthaft" bzw. beinahe "bedrohlich". Besser wäre es, hier einen anderen Begriff zu wählen. Das ist allerdings nur meine persönliche Meinung! "Irrsinn" bedeutet ja so etwas wie "geisteskrank" und das passt nicht zur "Figur" des ultimativen Besserwissers, der wohl eher ironisch betrachtet werden soll - finde ich. Wie wäre es, das z. B. durch
"Irrwitz" zu ersetzen? Kommt dem nahe, wirkt ironisch und nimmt die "Bedrohlichkeit".
Gerne gelesen und kommentiert.
Liebe Grüße
Stimme