Guten Morgen, wolo,
also hier muss ich ein dickes Lob für die Hausaufgabe aussprechen. Der Anapäst ist gelungen, und das Thema ist passend gewählt: Verlorene (erfrorene) Hoffnung, die in einer Frage mündet.
Ich kann das Gedicht auf "zwei Ebenen" lesen. Einmal im Sinne der Frage, ob wohl die Menschheit noch zur Vernunft kommt und einmal im Sinne einer "eingefrorenen" Beziehung, wo das LI die Hoffnung (fast) verloren hat.
Mir gefallen die Metaphern, und das Thema ebenfalls. Diese beiden Verse finde ich besonders gut gelungen:
Zitat:
die kondensstreifen zieren den himmel als leuchtende zeichen,
menetekel an endlosen wänden verblichener zukunft.
|
Menetekel kannte ich zwar, allerdings nur ungefähr - Suchen macht schlauer. Ein unheilvolles Vorzeichen, ein Warnruf, eine Mahnung. Wenn man daran denkt, was ein Flugzeug so an Abgasen "herausbläst", sollte man Kondensstreifen genau so betrachten.
Auch das hier sind sehr schöne Metaphern, wirklich, und auch das Enjambement ist feine Arbeit:
Zitat:
ein verzögertes räuspern hing starr an den lippen, erfroren
auf versteinerten wangen, in schneidender kälte des abwinds,
der im ewigen eis und im schweigen der gletscher geboren.
|
Und, nur zur Info, ich sehe schon, wirklich. Ich finde nur nicht immer alles erwähnenswert, denn es stört mich nicht immer alles. Mich stört die Verdoppelung hätte/hätt nicht. Und ich habe mich mittlerweile daran gewöhnt, dass es sicher Unterschiede gibt, wie Worte mit "da-" am Beginn betont werden (hier: danach). Es
kann auf der ersten Silbe betont werden. Das gilt auch für "permafrosts", das hier dem Metrum folgt. Nur, damit du verstehst, dass ich nicht immer alle Erbsen unbedingt als Erbsen sehe und darauf bestehe, sie zu erwähnen.
Zitat:
die erlösung kommt jedenfalls nur von der klimaerwärmung.
ob erfrorene wörter sie danach noch zeitig erreichen?
|
Also auf den Klimawandel (wenn es ihn denn so gibt, wie forciert) bezogen ist das beinahe schon Bitterkeit, wenn man gerade diese als "Erlösung" ansieht - auf die "Beziehungsebene" bezogen klingt noch so etwas wie eine "leise Hoffnung" durch. Das LI hat noch nicht ganz aufgegeben.
Ach ja, "Abwind" habe ich ergoogelt, den kannte ich tatsächlich nicht. Daher: Danke, wieder etwas dazu gelernt - gilt auch für die biblische Herkunft von "Mene mene tekel u-parsin". Tse, da hat doch die Bibel schon wieder was vertauscht - diesmal sogar einen König. (Überrascht mich nicht, nach der Sache mit dem Kamel.

)
Interessantes Reimschema: a,b,a,c,a / d,e,d,f,d; drei Reime und zwei Waisen dazwischen. Die Waisen sind auch ihr Inhalt.
Nur eine Anmerkung, aber das ist nur eine "Frage des Geschmacks": Mir würde anstatt "Wörter" im letzten Vers "Worte" besser gefallen (Wörter ist eher Umgangssprache), für mich passt das mehr zur "Sprache" des Gedichts.
Sehr gerne gelesen und kommentiert.
Liebe Grüße
Stimme