Thema: Teufelskreis
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Alt 05.12.2011, 21:06   #4
Stimme der Zeit
Erfahrener Eiland-Dichter
 
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Zur Erklärung, ganz kurz: Ich stellte es eigentlich aufgrund des Reimschemas ein, das von reinen Reimen, äquivoken Reimen über Assonanzen und nur teilweise vorhandenen Reimen bis hin zu Blankversen reicht (ein Experiment) und aufgrund meiner "Modifikation" der Strophenform "Siziliane".

Aber ich habe es jetzt in die "Finstere Nacht" verschoben, denn die Thematik ist entsprechend.


Stimme/Mod

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Liebe Chavi,

Zitat:
Zitat von Chavali:
dein Gedicht hier über den Teufelskreis der düsteren Gedanken, die ein Leben beherrschen können
und die man wohl gemeinhin Depression nennt, ist wortgewaltig wie deine Kommentare.
Vielen, lieben Dank. Ja, ich gebe zu, zur Zeit versuche ich mich immer wieder mal an "schwerer Kost", sowohl inhaltlich als auch, was Struktur und Form betrifft.

Zitat:
Zitat von Stimme der Zeit:
Manche Wortwendungen sind ein wenig schwer zu verstehen und man muss schon mehrmals
(u.U. auch laut) lesen,
um den Inhalt deines Werkes, das mich irgendwie an eine Ballade (von Goethe? Schiller?) erinnert,
zu verstehen.
Das macht auch einen Kommentar nicht leicht,
auch durch die Schachtelsätze,
die sich durch strophen- und zeilenübergreifende Reime ergeben.
Ich weiß, dieses Gedicht hier ist ziemlich schwierig, es erfordert Anstrengung beim Lesen. Und du hast recht, ich las in letzter Zeit viele derartige Werke, nicht nur Schiller und Goethe, sondern ich bin gerade mit König Ödipus von Sophokles und Homers Odyssee "durch". Kann gut sein, dass das etwas "abgefärbt hat", denn diese Werke sind schwierig zu lesen, nicht allein durch das Versmaß, sondern auch aufgrund der Schachtelsätze, die du erwähnst.

Zitat:
itat von Chavali:
Hier etwas herausgreifen zu wollen, ist mir schlicht unmöglich.
Ich lasse die Worte und den Sinn auf mich wirken und ertappe mich dabei,
dem Menschen helfen zu wollen, der da so leidet.
Vielleicht ist es auch unser aller Los, uns in dem Gedicht wiederzufinden.
Ich glaube, dass gerade wir "Foren-/Hobbydichter" alle unsere Erfahrungen besitzen, denn das Leben hat nun einmal seine "Schattenseiten". Wie schon Joseph von Eichendorff schrieb:

Dichterlos

Für alle muß vor Freuden
Mein treues Herze glühn,
Für alle muß ich leiden,
Für alle muß ich blühn,
Und wenn die Blüten Früchte haben,
Da haben sie mich längst begraben.

Zitat:
Zitat von Chavali:
Lediglich hier
Zitat:
Zitat von Stimme der Zeit:
Das Selbst liegt mit sich selbst im Widerstreit,
verliert die Richtung, weiß nicht mehr, wohin.
hat mir die Dopplung nicht gefallen,
da findet sich doch sicher noch was anderes passenderes.
Evtl. kann man 1x selbst einfach weglassen.
Oder du schreibst:

Das Selbst erliegt dem Widerstreit
Darüber muss ich noch nachdenken, erst mal ein Dankeschön für deinen Vorschlag. Leider sind das 2 Silben zu wenig (8 anstatt 10), und im fünfhebigen Jambus möchte ich bleiben. Eigentlich gefiel mir diese Formulierung, aber es soll mir selbst () ja in "zweiter Linie" gefallen. Das erfordert aber noch ein wenig "Grübeln" ... Ich würde mich auch freuen, wenn du eventuell noch eine andere Idee hast.

Zitat:
Zitat von Chavali:
Tolles Werk! Daumen hoch! Lob! Lob - für Idee, Fleißarbeit und Können

Aber warum steht es in dieser Rubrik?
Viel zu schade! Rein in Trauer und Düsteres!
Ich war ganz brav, schon passiert! Und dir vielen Dank für dein Lob und deinen tollen Kommentar.

Es freut mich, dass du dich mit einer Art Gedicht befasst hast, das eigentlich nicht unbedingt dein "Geschmack" ist, ich weiß es sehr zu schätzen.

Liebe Grüße

Stimme

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Liebe Dana,

Zitat:
Zitat von Dana:
fast "zu schade" für Experimentelles, weil dort in Relation weniger gelesen wird.
Ich zweifelte aufgrund des experimentiellen Charakters ein wenig, ob es in "Finstere Nacht" passen würde, aber auf dein und Chavis Anraten hin habe ich es schon verschoben.

Zitat:
Ein gewaltiger Text, der in "nur" fünf Strophen mit je acht Versen die gesamte Schwere des Seins erfasst.
Manchmal denke ich, dass es vielleicht das ist, was uns erst das Schreiben ermöglicht, denn je mehr Höhen und Tiefen wir erlebt haben, desto größer ist der "Fundus", aus dem wir schöpfen können. Ein "glattes, problemloses" Leben dagegen würde sicher keinen "Stoff" für Gedichte bieten - gleichgültig, für welche "Rubrik" ein Gedicht sich dann eigenen mag. Hier, das sage ich ganz freimütig, sprechen auch von mir persönlich gemachte Erfahrungen "mit".

Zitat:
Zitat von Dana:
Die ersten drei Strophen zeigen Gedankenkreise in Stunden, Tagen und Nächten auf. Der "Denker" gerät beinahe in eine "Routine". Der Tag lenkt mit seinen Geschehen ab und zieht eigene Kreise, die durchlaufen werden wollen (und müssen: Arbeit, Haushalt, Gesellschaft usw.
Danach (Abend, Nacht) ziehen Wolken darüber. In dem wir Revue passieren lassen, klopfen Zweifel, Unzufriedenheiten, Ärgernisse und Trauer an.

Wer über die Kindheit und Jugend hinaus ist, kann das sehr gut nachvollziehen.
Manchmal kann das lange Zeit so gehen. Die Anforderungen des Tages lassen keine Zeit zum Denken, das "Grübeln" kommt erst dann, wenn eigentlich die Ruhe eintreten sollte - nur dass der Betreffende keine Ruhe findet. (Selbst)zweifel, Unsicherheiten, Selbstvorwürfe, verletzte Gefühle - sie "klopfen an", das hast du sehr gut formuliert.

Zitat:
Zitat von Dana:
Diese Wirklichkeiten jedoch bilden weiterhin eine kreisende Spirale. Das zeigen die zwei letzten Strophen auf.
Es ist nicht damit getan, dass es so ist. Es wird noch schlimmer, und zwar dann, wenn wir den Teufelskreis erkennen. Wir rennen gegen Mauern und bleiben doch Hamster im Laufrad. (Eine schöne und neue Metapher.)
Ja, irgendwann erkennt man, dass dieser Teufelskreis existiert. Es ist ja das "Fatale", dass dieser "Kreislauf" jeden Tag aufs Neue beginnt. Nachts wird dann nach einem "Ausweg" aus dieser "Lebensfalle" gesucht - bevor der neue Tag wieder alles "zuschüttet" und verlangt, dass gefälligst "funktioniert" wird. Mir fiel dabei auch der "Hamster im Laufrad" ein, denn er rennt und rennt, aber an ein Ziel kommt er nie. Eine sinnlose Bewegung - eben "immer im Kreis herum", ohne dass er dabei "von der Stelle kommt".

Zitat:
Zitat von Dana:
Ab letzte Strophe gibt es nur zwei Möglichkeiten: Entweder ein Versinken in den Ausweglosigkeiten oder der Einsatz des Willens.
Ein großes Ziel, dass so manchem nicht gelingt. Du sagst es selbst:
Zitat:
Zitat von Stimme der Zeit:
Befreiung? Hier ist keine. Sie zu finden,
bedarf es einer Stärke, die nicht jeder
besitzt, denn lediglich die Kraft des Willens
kann siegen und ihn – mit Gewalt! – durchbrechen.
Daher behaupte ich auch, dass der Wille mehr ist als ein "dumpfer Trieb". Den Kreis zu durchbrechen ist sehr schwer - aber möglich. Mit Willenskraft!

Zitat:
Zitat von Dana:
Und gleich hier setzt meine kleine Kritik ein:

Befreiung? Hier ist keine. Sie zu finden, bedarf der (einer) Stärke, die nicht ...

Das kleine "es" wird als Füllwort zu fühlbar und ist sprachlich nicht mehr ganz rein. (Du weißt, was ich meine - auch, dass man das nur bei anderen sieht und selten bei sich selbst.

Befreiung? Hier ist keine! Sie zu finden,
bedarf besondrer Stärke, die nicht jeder
besitzt, denn ....
Ich gebe dir ebenso recht, wie Chavi, die eine andere Stelle anmerkte. Es stimmt, ich kann ein eigenes Werk ein Dutzend Mal durchlesen, und übersehe trotzdem die vorhandenen "Schwachstellen". Deshalb schätze ich deine und Chavis Kommentare sehr, denn vier oder sechs Augen sehen nun mal mehr als zwei.

Auch hier möchte ich über den Vers noch etwas nachdenken, denn "besondrer" wäre die einzige Elision im Gedicht, das würde mich dann ebenso stören wie das deplatzierte "es". Wenn allerdings du oder jemand anderes einen Vorschlag hat: Nur her damit, ich freue mich!

Zitat:
Zitat von Dana:
Natürlich ist mir auch die andere Reimart oder Reimtechnik aufgefallen. Erst a b,a b - dann a a, b b, usw.
Das liegt an dem Wechsel zu Assonanzreimen, ich wollte sie auch ein wenig "kenntlicher" machen, im Kreuzreim wären sie vielleicht "untergegangen". Außerdem handelt es sich in dieser Strophe auch um eine Art "Wendepunkt", denn jetzt beginnt erst die "Suche". Und, zur Erklärung: Der Siziliane (eine Sonderform der Stanze) ist die "Zweiteilung" des Stropheninhalts zu eigen, der ich trotz veränderlichem Endreimschema durchgehend gefolgt bin.

Zitat:
Zitat von Dana:
Aber dann, je undurchdringlicher die Kreise, desto mehr setzt die "Ungereimtheit" ein, die mit dem Lesefluss wieder aufgefangen wird. Ein gelungenes Experiment, dass im Durchbruch mündet.

Man prallt mit Gewalt - um zu durchbrechen. Das Durchbrechen hast du als letzes ungereimtes eingesetzt - es steht allein da, weil jeder für sich allein hindurch muss.
Das ist leider wahr, den "Durchbruch" muss jeder alleine schaffen, dabei kann niemand helfen. Aber manche Menschen haben Glück, wenn jemand da ist, der ihnen Kraft spendet, denn auch im "Anlauf" alleine zu sein, das macht es umso schwerer, genug Energie dafür aufzubringen. Du hast mit deiner Interpretation meine Intention sehr genau getroffen!

Zitat:
Ich hoffe, liebe Stimme, dass ich hier mit meiner Anerkennung und Bewunderung
auch einen Durchbruch geschafft habe - sie gelten dir.
Liebe Dana, ich kann mich nur herzlich bedanken. Ich möchte dir aber gleichzeitig auch versichern, dass ich keine "Verlegenheitsphrasen" verwende - sondern bei großem Lob einfach ernsthaft verlegen bin, und dann oft nicht weiß, was ich sagen soll. (Vielleicht gewöhne ich mich ja irgendwann daran, aber das glaube ich eigentlich nicht.) Ich bin nicht sehr "loberfahren" ...

Liebe Grüße

Stimme

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Edit:


Nach etwas "Grübeln" über die beiden Verse habe ich ein paar Alternativen gefunden, und würde mich freuen, Meinungen dazu zu lesen:

Anstelle von

Das Selbst liegt mit sich selbst im Widerstreit,

wären möglich:

Das Ich liegt mit sich selbst im Widerstreit
Das Selbst liegt innerlich im Widerstreit

Und anstelle von

bedarf es einer Stärke, die nicht jeder

fiel mir ein:

erfordert eine Stärke, die nicht jeder
verlangt nach einer Stärke, die nicht jeder
benötigt eine Stärke, die nicht jeder

?

Liebe Grüße

Stimme
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Geändert von Stimme der Zeit (05.12.2011 um 21:39 Uhr)
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