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Alt 06.12.2011, 20:13   #5
Stimme der Zeit
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Hallo, fee,

ich kann mich Chavali nur anschließen: Das wirkt auch auf mich wie ein sehr befreiender Wutausbruch. Beim Lesen dachte ich zunächst an Freundschaft, aber in der letzten Strophe berichtet das LI davon, "die Wohnung ausgeräuchert und besenrein gefegt" zu haben. Das klingt mir dann doch eher wie das Ende einer Beziehung.

Offenbar war das LI lange Zeit über für jemanden da, der sie allerdings wohl eher als "Schuttabladeplatz für Seelenschrott" (aus)nutzte. Das Gedicht sagt mir sehr deutlich: Genug ist genug!

Zitat:
So wichtig kann ich dir ja nicht gewesen sein.
Das LI ist sich darüber klar geworden, dass es nur benutzt wurde, aber nicht als Partner/Mensch/Person zählte, denn es kam wohl, so lese ich es "hinter den Zeilen", nichts "zurück".

Einen kräftigen Schuss Ironie bzw. eine leicht sarkastische Note erhält das Gedicht durch die zweifache Erwähnung der Tasse. Das (ich vermute, "hinausgeworfene") LD benutzte ständig ungefragt die Tasse des LI, was darauf schließen lässt, dass sich diese "Selbstbedienungsmentalität" nicht nur auf eine Tasse beschränkte. Sie ist hier der "symbolische Platzhalter" für noch sehr viel anderes. Das wird auch durch das, ebenfalls symbolische, "Zerschmeißen der Tasse" in der letzten Strophe untermalt - wobei die "Endgültigkeit" sich im Zusatz "samt Henkel" manifestiert. Das ist sehr schön gemacht!

Auch Wortwahl und Ausdrucksweise passen sehr gut dazu, denn - wir drücken uns alle sicher nicht sehr gewählt aus, wenn wir "stinkwütend" sind.

Formal fällt mir das gelungene Reimschema auf, ich würde es einen "strophenübergreifenden Kreuzreim" nennen, denn eine spezielle Bezeichnung dafür ist mir nicht bekannt, aber es ist sehr interessant gemacht. Natürlich "verketten" sich hier nur Strophe 1 + 2 und Strophe 3 + 4, denn mit nur zwei Endreimen ein sinnvolles Gedicht zu schreiben, ist ja fast unmöglich, außer evtl. konkret als reines Humorgedicht. Und: Ja, man kann einige Reime "unrein" nennen, aber ich bin da nicht "akribisch"; ich verwende diese Art Reime auch, sie ermöglichen mehr "Raum" für die Aussage, ohne einen reinen Reim zu "erzwingen", was bei einer so begrenzten Anzahl von Endreimen wie hier auch "daneben gehen" kann. Ich sage das nur, um zu verdeutlichen, dass es mich überhaupt nicht stört.

In diesem Fall ist es sogar gut, dass es ein sechshebiger Jambus, aber kein Alexandriner ist. Für dieses Thema wäre die starke Mittelzäsur (durchgehend) nicht passend, da sie unwillkürlich einen "Wiegetakt" erzeugt. Hier variieren die Zäsuren in einigen Versen, das ist gut so. Wenn ich einen Tipp geben darf, bei Themen wie Wut würde ich eher ein Versmaß mit 5 Hebungen "empfehlen", das ist nur eine Anmerkung "für künftige Gelegenheiten". So ein fünfhebiger Trochäus kann schon "kraftvoll wirken". (Nicht als Kritik gemeint.)

Gut gewählt sind die Kadenzen. In den ersten beiden Strophen sind sie rein männlich, da ist auch die "Wut" des Inhalts noch "frisch". In den Strophen 3 und 4 "ebbt" sie bereits ein wenig ab, hier alternieren sie männlich/weiblich (die weiblich endenden Verse verkürzen sich auch um eine Silbe), was ebenfalls zum Inhalt passt. Der Zorn ist weiter da, die "Beruhigung" ist etwas "schwächer", sie hat noch nicht gewonnen.

Wenn du erlaubst, noch ein Hinweis von mir. Wenn du viele einsilbige Worte verwendest, dann möchte ich dir einen "Unterschied" aufzeigen, denn in dem einen Vers hier ist die Betonung eindeutig klar, im anderen nicht:
Zitat:
Voll Zorn auf mich schlag ich mir auf den Schenkel.
Hier ist das zweite Wort ein Substantiv, der "Einstieg" in den Jambus fällt leichter, und der Inhalt unterstützt es, dass die Betonungen auf "mich" und "ich" liegen.

Zitat:
Was war ich dir dann - außer Tran-Geplänkel?
Der jambische Rhythmus des Gedichts macht es natürlich möglich, es "passend" zu lesen, aber es ist etwas "uneindeutig". Man kann es so oder so betonen:

xXxXxXxXxXx - dem "Gesamtrhythmus" folgend
xXxxXXxXxXx - das Problem ist das Wort "dann", das - eigentlich - betont werden müsste, was auch möglich ist, ohne einen unzulässigen Spondeus zu erzeugen, denn das wird durch jede Art von Satzzeichen (hier Gedankenstriche) "verhindert"
XxXxXXxXxXx - schwierig ...

Ich hoffe, du verstehst mich richtig - ich sage nicht, dass es ein Fehler ist, es ist nur eine "Schwachstelle" im Betonungsmuster. Auch das soll lediglich eine Information sein.

[Es hat sich im Gedicht nur ein einziger, wirklicher Fehler "eingeschlichen":

Zitat:
mich jammernd, endlos Klagen sabbernd angeranzt.
Eigentlich müsste es: "mich jammernd, endlos klagend sabbernd angeranzt" heißen.

Das klingt nicht besonders. Vielleicht möchtest du über diesen Vers noch einmal nachdenken? (Ich bin allerdings auch keine Germanistin, daher kann ich nicht sagen, wie die Deklinationsform korrekt heißt.)]


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"Zwischen-Edit:

Ich las gerade larin Kommentar, und sie hat recht, an dieser Stelle habe ich "fehlgeschalten". Deshalb setze ich diesen Teil einfach in eckige Klammern und kursiv - kann also getrost ignoriert werden. Aber ich lasse es als "meinen (Denk)Fehler stehen. Entschuldige, also: Kein Fehler.

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Das Gedicht gefällt mir wirklich gut, gerade deshalb habe ich mich sehr gerne näher damit befasst.

Gerne gelesen und kommentiert.

Liebe Grüße

Stimme
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Geändert von Stimme der Zeit (06.12.2011 um 20:49 Uhr) Grund: Denkfehler kenntlich gemacht.
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