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Alt 17.12.2011, 09:48   #2
Stimme der Zeit
Erfahrener Eiland-Dichter
 
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Guten Morgen, wolo,

"der reime macht" - hier ist die Kleinschreibung sehr angebracht. Hier kann ich unter dem Titel "Der Reime Macht" verstehen, aber auch "Der (der) Reime macht". Mittlerweile weißt du ja, dass ich das mag.

Der "Schneesturm" ist eine gut gewählte Metapher für die Stürme, die immer wieder auftreten, denn er enthält (im Gegensatz zu z. B. einem Sommergewitter) auch die Assoziation mit "Kälte".

Zitat:
der sturmwind treibt
die flocken durch die leeren gassen.
wer drinnen bleibt,
vertraut darauf, dass niemand draussen sei.
man fühlt sich dennoch nicht ganz wohl dabei
und klammert sich an warme kaffeetassen.
Ja. Es wird sich gerne im warmen, gemütlichen Zuhause "verkrochen", in der Hoffnung, dass der "Sturm" draußen bleibt und "vorüberzieht". Trotzdem ist einem nicht "ganz wohl dabei", da hilft auch das "Festklammern" an "warmen Kaffeetassen" nur sehr bedingt ...

Zitat:
die tür springt auf,
der sturmwind hat sie aufgewuchtet
und braust herauf,
nimmt alle stufen mit nur einem schritt.
ich sage: komm, trink eine tasse mit!
doch hat dies leider nicht gefruchtet.
Und die "Kaffeetassen" helfen nicht mehr, wenn die "Wucht des Sturms" zu groß wird und er die Tür einfach "aufwuchtet" - es gibt sogar Stürme, habe ich mir sagen lassen, die mächtig genug sind, sie "aus den Angeln zu reißen" ...

Der Sturm gewinnt schneller an "Boden" als vermutet (gehofft, geglaubt, gewünscht), er ist da, "bevor man sich versieht". Das "Friedenangebot / angebotene Arrangement", indem der Sturm "eingeladen" wird, eine "Tasse Kaffee" mitzutrinken - nein, das "fruchtet" nicht, wenn versucht wird, mit der "Gewalt" des Sturms "Frieden" zu schließen.

Zitat:
der sturmwind reisst
die tasse samt kaffee aus meinen händen
sein atem beisst
mich frostig, graupelschaurig im gesicht.
ich rezitiere hurtig ein gedicht
und kann den albtraum so beenden.
Der Schneesturm hat so viel "Wucht", dass er dem LI zuletzt nicht nur die Tasse, sondern auch den "Inhalt", den Kaffee, aus den "Händen reißt" (gut formuliert) - nichts mehr "da", zum daran "festklammern". Dann wird es wirklich sehr, sehr "ungemütlich" in der "guten Stube" ...

Zitat:
ich rezitiere hurtig ein gedicht
und kann den albtraum so beenden.
Vielleicht - für einen Moment. Und immer nur bis zum nächsten Schneesturm. Leider ist die globale Wetterlage ausgesprochen "stürmisch", es scheint nahezu pausenlos ein Sturm nach dem anderen "aufzuziehen" ...

Ja, es hilft, ein "Gedicht zu rezitieren", aber eben nur im "übertragenen Sinne". Ich denke, dass der Sturm damit lediglich "aus dem Haus vertrieben" - aber nicht wirklich beendet wird. Schön wäre es ja! Leider ist das nicht so, nur hat das LI jetzt wieder die Möglichkeit, sich frischen Kaffee aufzubrühen, um zu hoffen, dass der nächste Schneesturm nicht wieder seinen Weg ins Haus findet.

Allerdings gibt es eine Wahrheit, die den Schneesturm tatsächlich beenden könnte. Nur bräuchte man dafür viele, sehr viele Gedichtrezitationen - und noch mehr Leute, die "zuhören". Auch das wäre sehr, sehr schön. Bleibt aber, so fürchte ich, illusionär ...

Trotzdem: Rezitiere weiter, LI - mein LI macht das auch, immer wieder und unverdrossen.

Die "Form" folgt sehr gelungen dem Inhalt. Die kurzen Verse mit zwei Hebungen passen gut, allerdings in Strophe 1 in einem Vers eher nicht: "wer drinnen bleibt". Das ist "passiv", während der Inhalt ansonsten "stürmisch-aktiv" ist. Nur als Anmerkung. Auch die längeren Verse (mit 4 oder 5 Hebungen) gehen mit dem Inhalt "mit". Außerdem wirkt die Struktur des Metrums gut, ich assoziiere das mit "An- und Abflauen" von "Sturmböen". Dass die Kadenzen nicht regelmäßig alternieren, ist ebenfalls stimmig - nicht jede "Bö" ist "gleich".

Die Metaphern sind gut gewählt, mir wurde sofort klar, was "gemeint" ist. Besonders gefällt mir dein Neologismus "graupelschaurig". Graupelschauer - Graupel - schaurig.

Wieder eines deiner Gedichte, das mir sehr gut gefällt - wirklich.

Gerne gelesen und kommentiert.

Liebe Grüße

Stimme
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