ein super gesellschaftskritisches sonett, stimme!
vor allem, weil es mal nicht auf dieser betulichen welle der moralischen entrüstung mitschwimmt im tonfall, sondern - und das finde ich weit angemessener und wirkungsvoller - sehr "direkt" formuliert die dinge beim namen nennt. in gradezu saloppem, zeitgemäßem tonfall.
liest sich wie eine kolumne, nur gehoben-gereimt sozusagen.
ich störe mich auch ein klein wenig an der stelle mit den ochsen. und zwar, weil der satz, so, wie er momentan formuliert ist, eigentlich genaugenommen sagt, dass ochsen aus gefüllten futterraufen kaufen.
Zitat:
Zitat von Stimme der Zeit
die Wirtschaft boomt, die Leute sind am Kaufen,
wie Ochsen, aus gefüllten Futterraufen.
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das "fressen" ist ja nicht da. dafür aber das verdindende verb "kaufen" (bzw. "sind...am Kaufen").
der bezug ist also eigentlich nicht ganz korrekt. auch, wenn natürlich klar ist, was du meinst.
"die Wirtschaft boomt, die Leute stehn beim Kaufen
wie Ochsen vor gefüllten Futterraufen"
oder (doch reichlich invasiv):
im Wirtschaftsboom, da drängt man sich beim Kaufen
wie Ochsen vor gefüllten Futterraufen
wäre das eine oder andere eine alternative für dich? (ich wollte die zeilen nicht invasiver umschreiben. das mag ich nicht so sehr).
Zitat:
Zitat von Stimme der Zeit
den Pelz aus. Huch! Das Glück gerät ins Wanken!
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das ist mir aber dann doch zu flappsig. nicht allgemein der sprache wegen, sondern weil es dadurch eine leicht humorige note bekommt, die dem inhalt an gewicht nimmt bzw. gefühlt etwas von der schärfe der kritik wegnimmt. und das finde ich kontraproduktiv.
im sinne von "kritisiere nicht, ohne einen vorschlag anzubieten" biete ich:
den Pelz aus; es gerät das Glück ins Wanken!
aussage-verändernde vorschläge find ich selbst auch immer kritisch. ich hoffe, ich hab mit der ochsen-sache da nicht den bogen überspannt. aber insgesamt ist das gedicht einfach zu gut-kritisch, als dass ich so einen bezugs-schnitzer unerwähnt lassen möchte.
liebe grüße
fee