Thema: Das Gewitter
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Alt 23.12.2011, 11:57   #2
Stimme der Zeit
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Hallo, Archimedes,

dein Gedicht erinnerte mich an eine Ballade von Gustav Schwab, die ebenfalls "Das Gewitter" als Titel besitzt. Natürlich ist die "Geschichte" hier etwas anderes, dort geht es um eine "Großfamilie", um den "schönen Schein". (Allerdings, "Übereinstimmungen" gibt es ebenfalls, vor allem, was das "Ende" betrifft.) Es fiel mir spontan ein, als ich dein Gedicht las.

Ich lese hier auch eine zweite Ebene "heraus". Auf der einen Seite ist es die gelungene Beschreibung eines Naturereignisses. Hier wird aufgezeigt, wie "mächtig" die Kräfte der Natur sein können, und wie klein und auch hilflos "der Mensch" diesen gegenübersteht.

Auf der anderen Seite lese ich etwas über den "Zorn" der Natur, die hier dem Menschen aufzeigt, wo seine "Grenzen" sind. Besonders die letzte Strophe stimmt mich sehr nachdenklich. "Der Mensch" hat das "Unwetter" (den Zorn) wohl nicht überlebt, obwohl er sich "verkroch". Ich interpretiere den Inhalt dahingehend, dass ein "Verstecken" gar nicht möglich ist, denn - wir sind ein Teil der Natur, mögen wir das leugnen oder nicht, daher können wir ihr überhaupt nicht "entkommen".

Wir verstoßen bedenkenlos gegen deren Gesetze, bis es zu spät ist und das "große Unwetter" kommt. Dann erst werden wir erkennen, dass wir es selbst verursacht haben - und uns fürchten und verkriechen. Was nichts nützen wird. Verursacht der Mensch ein solches "Gewitter", dann wird es wahrhaftig keinen "Weg aus dem Graus, der heimwärts führt" mehr geben - unter anderem auch deshalb, weil wir unser "Heim" bereits zerstört haben, ebenso den "Weg" dorthin. Das Gewitter wird vorübergehen, so furchtbar es auch wütet. Die "herrschende Grabesstille" allerdings betrifft dann sicher nur uns - die Menschheit.

Ein sehr intensives und berührendes Gedicht, Archimedes. Deprimierend und (leider auch) sehr wahr. "Vieles würde er jetzt geben ..." - ja. So war es, so ist es, und so wird es auch künftig sein. Denn der Mensch begreift immer zu spät.

Der Inhalt ist gut aufgebaut, mir gefällt auch der "Refrain", dessen Inhalt du variierst, die "Struktur" aber beibehältst.

Einige Stellen sind etwas inversiv, aber sie umzuschreiben würde das Gedicht zu sehr verändern. (Wobei ich sagen muss, dass auch das Gedicht von Gustav Schwab ähnlich geschrieben ist - folgst du in diesem Fall vielleicht auch einem "früheren Schreibstil"?) Da du, relativ gesehen, seltener postest, bin ich auch noch nicht mit deinem "persönlichen Stil" vertraut und weiß nicht, inwieweit es Absicht ist; daher kritisiere ich nicht, sondern merke es lediglich an.

Zitat:
schmelzt den Stein, verkohlt den Baum;
gellend, blendend, immer wieder. - hier verwendest du eine Aufzählung, nach "Baum" ist der Satz eigentlich "zu Ende", ein Semikolon ist gut geeignet, ihn "weiterzuführen"
Aber es ist ein schönes Gedicht, unabhängig vom "grausigen Verstehen" des Inhalts. Das Metrum ist (falls ich nichts überlesen habe) fehlerfrei, sowohl der vierhebige Trochäus als auch die Daktylen (mit Auftakt) im Refrain passen ausgezeichnet zum Inhalt. Sehr gut gemacht, du lässt sie "mit Nachdruck" in einem jambischen Versfuß "enden", wobei auch die männlichen Kadenzen ihre "Wirkung ausüben". Kreuzreim und Haufenreim - wirklich gut gewählt und ausgearbeitet. Gerne ein echtes Lob dafür!

Gerne gelesen und kommentiert.

Liebe Grüße

Stimme
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