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Alt 15.01.2012, 16:38   #9
tardyhardy
Neuer Eiland-Dichter
 
Registriert seit: 17.11.2011
Beiträge: 7
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Zitat:
Zitat von tardyhardy Beitrag anzeigen
Ein Mensch erlitt einst großen Schaden
durch einen falschen Kameraden,
schwor Rache und sah schon im Geist,
wie er den Kerl in Stücke reißt.

Doch um es listig zu beginnen,
ließ er erst etwas Zeit verrinnen,
um dann mit doppeltem Genuss
zu setzen den finalen Schuss.

Klammheimlich baute er die Hürde,
woran der Erzlump straucheln würde,
und blieb, die Rache auszukosten,
fortan geduldig auf dem Posten.

Nachdem er lang genug gewartet,
schien es ihm Zeit: „Jetzt wird gestartet.“
Doch ach, kaum dass er dies verkündet,
die Lunte, listgelegt, gezündet,

ward seine Rache ihm verdorben –
sein Kontrahent war grad gestorben!
So stand es schwarz, in großen Lettern,
am Morgen in den Tagesblättern.

Der Mensch, der Rache schnöd beraubt,
flucht: Was der Hundsfott sich erlaubt!
Jetzt hat der Schurke über Nacht
mich um die Rache noch gebracht!"

Er stürzt betrübt ins Seelentief...
Doch dann bekommt er einen Brief:
Der Unmensch, der ihn einst verletzt,
hat ihn als Erben eingesetzt,

um so dem Menschen Dank zu sagen,
dass der ihm nie was nachgetragen.
Der Mensch, bei so viel Edelmut,
hält sich am Ende selbst für gut.
Hallo Fridolin,
wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich es nicht glauben, dass dieses Gedicht nicht von Eugen Roth ist. Es ist so pefekt in Versmaß, Reim, Aussage mit Höhepunkt:

"sein Kontrahent war grad gestorben"!
und moralischem Schluss:

"Der Mensch, bei so viel Edelmut,
hält sich am Ende selbst für gut".

dass es ein Eugen Roth nicht besser hätte machen können.
Vor lauter Freude an diesem gelungenen Gedicht habe ich es gleich auswendig gelernt.
Herzlichen Glückwunsch zu dieser Glanzleistung.
tardyhardy
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