Thema: blackbird
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Alt 16.02.2012, 20:57   #4
Falderwald
Lyrische Emotion
 
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Servus fee,

mir kam beim Anblick des Titels "Blackbird" natürlich sofort das gleichnamige Lied der Beatles in den Sinn (Jetzt habe ich die Melodie im Ohr ).

Dort geht es um einen (kleinen, jungen) schwarzen Vogel, der in der Totenstille der Nacht singt und die gebrochenen Flügel benutzen soll, um damit fliegen zu lernen.
Er hatte sein ganzes Leben darauf gewartet, um sich in die Luft zu erheben.
Er soll die versunkenen Augen benutzen, um zu sehen und in das Licht der dunklen, schwarzen Nacht fliegen, um endlich frei zu sein.
Das ist freilich nur eine sehr oberflächliche Inhaltsangabe dieses sehr schönen lyrischen Textes. (Es gibt da noch eine andere Interpretaion über eine von der Polizei misshandelte schwarze Frau, die in England in einem für Weiße reservierten Wartesaal gesessen hatte. Aber das führte jetzt zu weit.)

Im vorliegenden Text sehe ich ebenfalls "junge Vögel", die aufgrund ihrer Unerfahrenheit im Leben noch voller Enthusiasmus waren und die Welt für sich erobern wollten.

Grenzen gab es nicht in diesen Träumen, obwohl die Alten immer wieder aus ihren Erfahrungen heraus sprachen, daß ihnen die Augen noch aufgehen werden.

Doch jede Generation macht ihre eigenen (positiven und negativen) Erfahrungen, von denen die vorhergehenden nichts wissen konnten und umgekehrt wollten es die Jungen nicht.

Die jungen Vögel erfuhren zwar schon ansatzweise die Zwänge der Gesellschaft, aber es machte ihnen nichts aus, denn sie glaubten ja daran, sie können etwas an den Strukturen verändern.

Da mussten sie sich erst einmal selbst kräftig die Finger verbrennen (oder auf die Nase fallen), um schließlich ent-täuscht auf dem Boden der Tatsachen zu landen.

Nun, die Erholung von diesen Erkenntnissen dauerte eine Weile, aber der Mensch ist ja anpassungsfähig.
Leider kommt im dabei die Fähigkeit des Träumens immer mehr abhanden.

Und so würde ich den "Blackbird" hier als "(jungen) Traumvogel" bezeichnen, der, im Gegensatz zum o. a. Song der Beatles seine Flugfähigkeit verloren hat.

Diese gebrochenen Flügel heilen nie mehr.

Das ist der Preis während der Erkenntnis im Älterwerden und der drohenden Weisheit.

Und wenn man das alles in schönen lyrischen Versen zu vermitteln versteht, dann darf man von einem Gedicht mitten aus dem Leben sprechen, auch wenn man es eigentlich gar nicht in Worte fassen kann.

Paul Cesane hätte wohl dazu gesagt:

Zitat:
Zitat von Paul Celan
Sie, die Sprache, blieb unverloren, ja, trotz allem. Aber sie mußte nun hindurchgehen durch ihre eigenen Antwortlosigkeiten, hindurchgehen durch furchtbares Verstummen, hindurchgehen durch die tausend Finsternisse todbringender Rede. Sie ging hindurch und gab keine Worte her für das, was geschah; aber sie ging durch dieses Geschehen. Ging hindurch und durfte wieder zutage treten, «angereichert» von all dem.
Ein schönes Schlusswort, findest du nicht auch?


Gerne gelesen und kommentiert...


Liebe Grüße

Bis bald

Falderwald



PS: Die Metrik nehme ich bei Gelegenheit noch mal unter die Lupe. Die ist nämlich nicht astrein.
Kleiner Wermuthstropfen...
Ohne läuft nix...
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Oh, dass ich große Laster säh', Verbrechen, blutig kolossal, nur diese satte Tugend nicht und zahlungsfähige Moral. (Heinrich Heine)



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