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Alt 05.03.2012, 20:24   #2
Falderwald
Lyrische Emotion
 
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Hallo Fridolin,

ja, die Frage nach dem Ursprung und dem Sinn des irdischen Daseins haben sich wohl die Menschen zu allen Zeiten gestellt.
Das kann man wohl das metaphysische Bedürnis aller (zeit)bewussten Lebewesen nennen.

Wo komme ich her?
Was bin ich?
Wo werde ich hingehen?

Das ist ja auch letztendlich das zentrale Thema der meisten Philosophen gewesen.
Und nur die wirklich Ehrlichen unter ihnen haben zugegeben, daß die Philosophie nicht alles erklären und nur bei den Ansätzen verweilen kann.
Schopenhauer sagte sinngemäß: Die Philosophie hört auf, wo der Glaube anfängt.

Der Glaube gehört zur Tradition und zur Kultur verschiedener Gesellschaften. Meistens ist auf ihn das moralische System und die Gesetzgebung jener aufgebaut.

In Zeiten, wo z. B. der christliche Glaube immer mehr an Zustimmung und Macht verloren hat, gründeten sich andere Gesellschaftssysteme wie z. B. der Sozialismus oder der (neoliberale) Kapitalismus.
Sie nahmen die Stelle des Glaubens ein und prägten dann die jeweilige Gesellschaftsordnung nachdrücklich.

Ich will das jetzt nicht weiter ausführen, das würde den Rahmen sprengen.
Letztendlich aber wird nichts von all jenem dem suchenden Denker eine endgültige Antwort geben können, denn jede Antwort wird unvollkommen bleiben, da sie mit nichts als (menschlichen) Worten belegt werden kann.
Und was wissen wir Menschen schon wirklich?

In den alten fernöstlichen und indischen Schriften jedoch, findet sich ein kleiner Schlüssel, nämlich die Besinnung auf sich selbst.
D. h. die Antwort auf alle Fragen liegt im eigenen Sein verborgen und jeder muss sie für sich selbst finden.
Die meisten schaffen es nie und bleiben beim Glauben (oder dem politischen System), denn es ist leichter "gesteuert" zu werden, als selbst das Ruder und damit die Verantwortung für sein eigenes moralisches Sein und Handeln zu übernehmen.
Die wenigsten begreifen das Sein als solches und die allerwenigstens können das auch noch in Worte kleiden, weil es fast unmöglich ist und Worte eben nur Worte bleiben und Menschen einzelne Individuen sind, die alle einen anderen Blickwinkel besitzen.

Schopenhauer sagte: "Die Welt ist meine Vorstellung."

Und damit hatte er Recht, denn die ganze Welt spielt sich im inneren des eigenen Kosmos' ab und je nach Standpunkt sieht sie so oder so aus.

Wie schwer wäre damit eine Wahrheit zu beweisen, die für alle Gültigkeit hätte?

Die Antwort findet man also nur bei sich selbst.

Und genau das ist die Kernaussage in deinem Gedicht.

So, da hast du aber eine recht erfolgreiche "Übung in Daktylen" vorgelegt.

Lediglich eine einzige Zeile möchte ich hier heraus nehmen, in der ich als Leser ein wenig ins Straucheln geriet:

"fühlen sich auf allen Wegen geführt"

Im Lesefluss des gesamten Textes geht sie mit, jedoch beim ersten Durchgang fühlte ich mich geneigt, das "sich" anstatt des schwächeren "auf" zu betonen, so daß es bei mir folgendermaßen klang:

fühlen sich auf allen Wegen geführt
XxXxXxXxxX

Wie gesagt, im Lesefluss geht es hinterher mit, ich wollte das aber anmerken.

Und letztens bekrittelte ich bei Erich das Fehlen eines Hilfsverbes in einer Zeile, so daß ich das hier auch anmerken sollte:

"Wo ist der Schöpfer, der alles geschaffen?"

Ich weiß, daß es durchaus üblich ist und war, auf das haben (hier: hat) zu verzichten, aber es klingt trotzdem unvollständig und hat mich schon beim ollen Goethe gestört. Aber das nur am Rande.
Ich versuche immer, auf solche Formulierungen zu verzichten, aber es ist und bleibt wohl Geschmackssache.

Auch die Inversion in S4 / Z3 ist nicht wirklich schön und ich denke, da ließe sich noch etwas machen, vor allem weil es in diesem Text nicht auf feststehende Reime ankommt.

Alles in allem ein ordentlicher Text mit gelungenem Inhalt, den ich gerne gelesen, bekrittelt und kommentiert habe...


Liebe Grüße

Bis bald

Falderwald


PS: Ich habe noch einen astreinen Daktylus von Goethe gefunden.
Schau mal hier.
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Oh, dass ich große Laster säh', Verbrechen, blutig kolossal, nur diese satte Tugend nicht und zahlungsfähige Moral. (Heinrich Heine)



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