Thema: Gebt acht....
Einzelnen Beitrag anzeigen
Alt 21.03.2012, 12:09   #3
fee
asphaltwaldwesen
 
Registriert seit: 31.03.2009
Ort: österreich
Beiträge: 961
Standard

ich hab das gar nicht so religiös empfunden wie erich, liebe larin.

gott bewahre sagt man ja auch, ohne ihn damit tatsächlich zu meinen. (es lebe der unachtsame sprachgebrauch im vergleich zu dem, was wir eigentlich sagen wollen ).

dafür haut mich die letzte strophe am schluss raus. da will sich der letzte satz nicht so recht ausklingend hören lassen. eher wie ein interruptus. kann ev. dran liegen, dass ich in der vorletzten zeile metrisch stolpere - "denen nach uns" fällt nämlich aus dem rahmen da. ist aber nur eine kleinigkeit.

der inhalt dafür ist starker tobak. und ich wüsste jetzt auch nicht, wie man eine botschaft von solchem gewicht weniger "imperativ" rüberbringen könnte, ohne dabei unglaubwürdig zu werden.

der text handelt vom zerbrechen oder gebrochen-werden. etwas, das immer zwei seiten braucht, um zu passieren. etwas, bei dem es schwierig ist, die grenze der "verantwortlichkeiten" zu ziehen, da sie immer und überall anders aussehen wird.

wenn man an etwas zerbricht, spielen da mehrere faktoren mit. das seifenblasen-thema zum beispiel (um bei deinen aktuellen gedichten zu bleiben) UND die momentane verfassung UND die bereits zurückgelegte wegstrecke in die vermeintliche irre etc. etc.

und wo kann man mit sicherheit die richtige wahl zwischen beharren, sich nicht verformen und im richtigen moment nachgeben treffen? sähe man das immer auf anhieb - es würde alle oberflächlichkeit der welt an einem als solche erkannt abprallen. man würde sich nur noch nehmen, was tatsächlich für einen das richtige ist.

frankl sagt "das ICH wird immer erst am DU". davon schreibst du hier. und es impliziert, dass es viele ichs gibt. nicht eins, das stets situations- und dem gegenüber angemessen ist. alles sein ist also ein sich äußern und der widerhall, den man damit erzeugt. er ist das außenbild, das spiegelbild, das aus den fremden augen auf uns zurückgeworfen wird.

Zitat:
[wir]...wissen’s nicht,
wie uns’re Spur den andern prägt.
ich denke, das ist auch gut so. sich der verantwortung bewusst zu sein, dass man mit seinem echo-geben ein gegenüber mit-formt, schadet sicherlich nicht. ich behaupte aber, dass die wenigsten sich darüber schon mal den kopf zerbrochen haben (außer sie sind jetzt in sozialen berufen tätig) und wenn, dann sicherlich nur selten (wenn akut) in der tiefe.

ein zuviel an solcher bewusstheit würde doch auch allzu leicht unfrei machen, wenn es um die eigenen entscheidungen geht. die gefahr dazu bestünde jedenfalls. oder?

das rechte maß also ist hier thema. wie ich es lese und empfinde, auch ein bewussterer umgang in diesem pendeln zwischen den polen des säens und des beackert-werdens. sich als ICH treu zu bleiben und dennoch auch einem gegenüber zu ermöglichen, das ebenso tun zu können - sozusagen TROTZ interaktion - die schwierigste aller übungen überhaupt. denn man ist nur ICH durch andere. auf sich selbst zurückgeworfen - was ist man da noch? tonlos verpuffter hall im luftleeren raum?

das "rechte, starke herz" - wird es nicht auch gerade durch dieses sich-bewähren-müssen geformt?


so. ich hör jetzt auf. du siehst - dein text stößt unendlich vieles an in mir.
"gern gelesen" brauch ich jetzt wohl nicht noch extra hinzufügen.


ich glaube "den weg" gibt es nicht, der gefunden werden muss. er muss gegangen werden und er ist da. jetzt und hier. in jedem augenblick.


liebe nachdenkliche grüße,

fee
__________________
"Gedichte sind Geschenke an die Aufmerksamen" Paul Celan
fee ist offline   Mit Zitat antworten