Einzelnen Beitrag anzeigen
Alt 22.03.2012, 21:07   #6
Dana
Slawische Seele
 
Benutzerbild von Dana
 
Registriert seit: 07.02.2009
Ort: Inselstadt Ratzeburg
Beiträge: 5.637
Standard

Lieber Thomas,

nein, nein, so war es nicht.

Deine "locker hingeworfene Bemerkung" habe ich wirklich nicht als Kritik an Dichter und Dichtung verstanden und mein ganzer Kommentar wollte nur eine einzige Traurigkeit ausdrücken. Traurigkeit darüber, dass es gerade Dichter waren (und sind), die ich als "Ideenvorläufer" bezeichnet habe, und niemand, niemand!, hat sich ihrer "Ideen für eine bessere Welt" angenommen.
Ich bin mir bewusst, dass Dichter eher Träumer als Helden sind. Trotzdem haben jene Träumer:

Zitat:
Zitat von Thomas
Ich dachte dabei an Dichter wie den Dichter Seyid Nesimi, er wurde wegen seiner sufischen (d.h. religiösen) Ansichten in Aleppo Anfang des 15. Jahrhunderts auf bestialische Weis umgebracht. Oder an Pir Sultan Abdal, er wurde 1560 von dem Pascha Hizir (Hinzir), dem Stadthalter von Sivas zu Tode verurteilt. Aber auch Christian Friedrich Daniel Schubart, der im 18 Jahrhundert in Deutschland lebte und wegen seiner gesellschaftspolitischen Haltung zehn Jahre lang eingekerkert war. Er wurden dem jungen Schiller zur Abschreckung vorgeführt, was Schiller veranlasste aus seiner Heimat zu fliehen. Aber z.B. auch Heine ist nicht freiwillig aus Deutschland emigriert Sein Bild ist heute romantiziert und domestiziert, dass die schlesischen Weber, und Doctrin etc. gar nicht zu ihm zu 'passen' scheinen. Oder aus noch jüngerer Zeit Solschenizyn etc.

Heute ist das Problem etwas anders gelagert. Mir hat vor einiger Zeit ein Physiker, der 'ketzerische' Ideen vertreten hat, gesagt: 'Früher sind die Ketzer wie Giordano Bruno verbrannt worden, heute werde sie totgeschwiegen, das ist heute vielleicht humaner, aber vor allem wirkungsvoller.' Da ist etwas dran.

Dichter sind eigentlich keine Helden, sondern Menschen, die ein Gespür für tiefe gesellschaftliche Bewegungen haben. Du sagst 'Ideenvorläufer'. Deswegen geraten sie, ohne dass sie etwas dafür können, in Konflikt, und da solchen Menschen meist ihre intellektuelle Identität und Integrität sehr wichtig ist, hat das bisweilen Konsequenzen für ihre 'Karriere'. Das scheint fast zwangsläufig so zu sein, aber nicht notwendig, d.h. der Zufall spielt eine Rolle. Ob jemand ein guter oder weniger guter Dichter ist, kann man deswegen daraus nicht ableiten.
oft "heldenhaft" agiert. Sie hatten nur eben nie aufmerksame Leser und Umsetzer, weil sich Regenten weniger oder gar nicht von Poesie leiten lassen.
Ich vermisse das Gespür für eine tiefe gesellschaftliche Bewegung sehr.

Ich lebe in dieser Zeit und zögere zu behaupten, dass sie so ganz anders oder gar schlechter ist, als ....
Ich weiß nur, dass es nie eine Zeit gab, die sich ausschließlich auf das Wohl der Gesellschaft und schon gar nicht auf das Wohl des Volkes konzentriert hat.
Das macht mich nicht wütend - es stimmt mich traurig und nachdenklich.
Eigentlich hat nur der Traum von einer "besseren Welt" überlebt und er lebt immer noch.
Schau dir meine Signatur an. Daran will ich festhalten.
Ich denke, wir stimmen doch überein.

Liebe Grüße
Dana
__________________
Ich kann meine Träume nicht fristlos entlassen,
ich schulde ihnen noch mein Leben.
(Frederike Frei)
Dana ist offline   Mit Zitat antworten