Thema: Kriegskind
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Alt 22.12.2012, 12:57   #8
Erich Kykal
TENEBRAE
 
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Hi, Dana!

All diese Gedanken habe ich mir natürlich beim Schreiben nicht gemacht, und wenn das mit der eigenen Verlustverdrängung stimmt, kann ich ohnehin nicht beurteilen, inwieweit sie zutreffend sind.
Das sprudelte einfach so aus mir raus, nachdem ich das Bild von einem gequälten, missbrauchten Kind vor Augen gehabt hatte. Und wie hätte ich das an dessen Stelle "verdaut"? Verdrängung? Sublimierung? Selbst innerlich kalt werden?
Meine psychologische Bildung ist eher oberflächlich, aber ich scheine eine Art Gespür für menschliche Reaktionen zu haben, kann extrapolieren. Eine "blühende" Fantasie stelt sich vor, wie man selbst empfunden, damit gelebt hätte. Und gelebt hätte ich, da ich das Leben als kostbar empfinde und lebenswert, sogar mit solchen Grausamkeiten und allen Erniedrigungen! Wer sich für die "Ehre" tötet, zur "Wahrung des Gesichtes" - oder schlimmer noch: andere!!!.... der hat meines Erachtens nichts vom Leben begriffen, von seinem Wert und der Verantwortung, damit umzugehen.
Der alte Spruch "Was einen nicht umbringt, macht einen stärker!" mag zu stark vereinfachend sein, aber er lässt eine tiefe Wahrheit anklingen: Nur wer tot ist, lernt nichts mehr dazu.
Dennoch kann das Trauma so eines Kriegskindes nicht ohne Folgen bleiben: Seelische Verkrüppelung ist nun nichts, woraus man etwas "lernen" möchte, und im Angesicht dessen klänge der alte Spruch auch sehr grausam und zynisch.
Man behilft sich - recht hilflos - mit einem weiteren Spruch: "Wer weiß, wofür's gut ist!", aber der klingt im Lichte solcher Ereignisse genauso blöde.
Wenn man aber bedenkt, dass genau diese Frau vielleicht später ein Erfolgsbuch darüber schreibt, das viele Menschen sensibilisiert, wodurch sich derlei insgesamt weniger oft ereignet, weil man den Leuten auch in Kriegszeiten nun gründlicher auf die Finger schaut (und natürlich den Wahnsinn und die Verbogenheit des Krieges an sich endlich zu begreifen lernt und ihn ächtet...), dann scheint sich dieser 2. Spruch doch irgendwie zu bewahrheiten.
Da aber für jeden stark und tätig aus solchen Situationen hervorgegangenen Menschen tausende andere stumm leiden und daran zerbrechen, weil sie eben nicht die Kraft in sich fanden, ihr Leid zu bewältigen - oder später sogar selbst zu grausamen Tätern werden - kann auch diese Rechnung nicht stimmen!
Dennoch scheinen wir eine Affinität zu Leid zu haben - als WOLLTEN wir sehen, dass es überwunden werden kann. Die ganze Film-, Theater- und Literaturindustrie lebt praktisch davon!!!
Ich weiß, wie leicht man pathetisch und emotional werden kann, deshalb bemühe ich mich bei diesen Themen um Nüchternheit und Beschreibung, nicht um Wertung, da ihre Wirkung sonst im Lamento erstickt und verpufft.
Da muss man die Bilder für sich sprechen lassen.

Vielen Dank für deine Gedanken!

LG, eKy
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