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Alt 28.01.2013, 19:14   #2
Walther
Gelegenheitsdichter
 
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lb antigone,

es gab einmal eine zeit, da sagte man, die deutsche sprache sei nach auschwitz nicht mehr dazu geeignet, lyrik zu schreiben. wir wissen seit paul celan, daß das falsch ist. zum glück, denn sonst wäre alles, was wir hier tun, vergeblich und sinnlos.

ein restzweifel allerdings bleibt: kann man als deutsche/r autor/in über ein kz schreiben? diese frage ist schon sehr viel schwerer zu beantworten. warum das so ist, läßt sich an diesem text ablesen. er ist merkwürdig sperrig, irgendwie leblos. er kann die schuld, von der er spricht, nicht tragen. das spürt man bis in die formulierungen selbst, die statisch wirken und bemüht.

schon in s1 fallen verse auf, die nicht aufgehen. "alle spur" (s1v3) ist schon grammatikalisch falsch, es müßte "alle spuren" lauten. wenn nichts mehr zu sehen ist, dann "jede spur". und dann paßt auch das metrum, das anderenfalls in unordnung geraten wäre. in s1v2 und s3v1 ist es wieder das "dir", das an einer stelle steht, die reimgeschuldet ist. in s1v3 wird es klar erkennbar als füllwort bemüht.

s2v2 und s2v4 enthüllen dann noch einen metrikfehler:
Zitat:
Du stehst gebannt am Eingang des Infernos.
xXxXxXxXxXx
auf
Zitat:
Was machte Menschen nur so seelenlos?
xXxXxXxXxx
das geht nicht auf, weil es hingebogen ist, damit das inferno sich reimt.

es gibt weitere solche sprachliche mängel, die das gedicht nicht für eine veröffentlichung qualifizieren, sondern es geraten erscheinen lassen, es noch ruhen zu lassen, um es, erneut bearbeitet, zum glänzen zu bringen.

lg w.
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Dichtung zu vielen Gelegenheiten -
mit einem leichtem Anflug von melancholischer Ironie gewürzt
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Geändert von Walther (28.01.2013 um 19:50 Uhr)
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