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Alt 29.01.2013, 20:39   #2
fee
asphaltwaldwesen
 
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Philosophisch harter Tobak, lieber Erich!

Ich habs jetzt schon mehrmals gelesen (an verschiedenen Tagen) in der Hoffnung, dieses Gedicht irgendwann so "verkraftbar" lesen zu können, dass mir dazu auch ein Kommentar möglich ist, der mehr sagt als "selten hat mich ein Text trostloser zurückgelassen als dieser". Naja - eigentlich noch nie.

Denn was dein Sonett kann, ist nicht ohne: es tritt im Tonfall selbst völlig unge-und -berührt auf - gleichsam dieser Welt, die im Gedicht da als das enttarnt wird, was sie vermutlich auch ist (was aber kaum jemand gerne so wahrhaben möchte) - seelenlos und bloß durch uns als "Mutter Erde" oder anderweitig beseelt wahrgenommen. Wir sind es, die finden, was wir sehen wollen. Und irgendwo ahnen wir wohl, dass eigentlich wir uns selbst die Götter sind, als deren Kinder wir uns fühlen möchten...weil wir eine Sinn-Leere einer Natur, deren Teil wir - zum Denken und vor allem Hinterfragen verdammt - selbst sind, nicht aushalten - würde sie doch bedeuten, dass wir schutz- und eigentlich bestimmungslos (=ohne übergeordnete Wesenheit, die da waltet, denkt und lenkt) unsere Lebensspanne absitzen, -gehen oder -rennen. Wie Ameisen - bloß will unser Geist sich da etwas zusammenspinnen, das ihm hilft mit der Erkenntnis umzugehen...tja, wärn wir doch bloß im Paradies geblieben, unwissend, unverdorben, aber dafür sorgen-, angst- und pflichten-frei, wenn auch mit Vitaminmangel (von dem wir aber freilich nichts wüssten und um den wir uns auch gar nicht kümmern müssten).

Das ist ein gradezu böses Gedicht, Erich!
Wie kannst du uns das so vorsetzen und dann noch gut schlafen?

Aber im Ernst: es ist starker Tobak und das vor allem, weil in exakt dieser Form präsentiert - knochentrocken, vom Tonfall her gleichgültig beinah und "ohne Rücksicht auf Verluste" inhaltlich auf den Punkt gebracht.

"Gern" hab ich das nicht gelesen, aber jedesmal mit Frösteln und daher auf gewisse Weise berührt. Kann also nicht schlecht sein, dein Gedicht.

Liebe Grüße,

fee
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"Gedichte sind Geschenke an die Aufmerksamen" Paul Celan

Geändert von fee (29.01.2013 um 20:41 Uhr)
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