Thema: Am Fenster
Einzelnen Beitrag anzeigen
Alt 23.07.2013, 10:34   #4
Erich Kykal
TENEBRAE
 
Benutzerbild von Erich Kykal
 
Registriert seit: 18.02.2009
Ort: Österreich
Beiträge: 8.570
Standard

Hi, Chavi!

Ein sehr schönes Gedicht! Im Gegensatz zu Ginton habe ich aber doch ein paar kleine Meckereien anzubringen - ich hoffe, du grollest mir darob nicht!

Dein Gedicht hat vornehmlich unbetonte Zeileneinstiege und pro Zeile vier Heber.

Zitat:
Zitat von Chavali Beitrag anzeigen



Ich stehe
am Fenster und schau in die Nacht
und frage mich, was hat der Tag mir gebracht. Fragezeichen?

Ein paar Tropfen Regen verwischen die Sicht,
die alte Laterne verströmt trübes Licht. Klanglich sperrig. Flüssiger: "der trüben Laterne entsickert das Licht."
Verwirbelte Blätter, zerfasert und nackt,
suchen mit Scheiben der Fenster Kontakt. Betonter Beginn! Alternative: "...zerfasert und kalt // verlieren sich hoch in des Sturmes Gewalt."

Der Regen wird stärker und Wind streicht ums Haus,
mein Baum vor dem Fenster sieht unheimlich aus.
Die Zweige der Ulme schwanken im Takt Flüssiger: "...der Ulme, sie schwanken..." Die Zeile bleibt im Takt. Komma am Ende.
der Sturm hat die Äste wie Klammern gepackt.

Von Ferne erscheint jetzt vage ein Licht, Flüssiger: "erscheint mir nun" Die Zeile bleibt im Takt.
eins, das mir Wärme und Nähe verspricht. Betonter Beginn! Alternative: "das Wärme und trauliche Nähe verspricht."
Doch nicht an der Türe hält das Gefährt! Flüssiger: "verhält" Die Zeile bleibt im Takt.
Die Hoffnung auf Liebe scheint mir verjährt. Flüssiger: "erscheint". Die Zeile bleibt im Takt.

Und weiter schau ich in die graudunkle Nacht, Schöner ohne "die", das entschleunigt den Lesefluss an dieser Stelle.
der Regen fällt jetzt nur noch leise und sacht.
Sehr gern gelesen und beklugfummelt! Hier mal zur Probe die bearbeitete Version:

Ich stehe am Fenster und schau in die Nacht
und frage mich, was hat der Tag mir gebracht?

Ein paar Tropfen Regen verwischen die Sicht,
der trüben Laterne entsickert das Licht.
Verwirbelte Blätter, zerfasert und kalt,
verlieren sich hoch in des Sturmes Gewalt.

Der Regen wird stärker und Wind streicht ums Haus,
mein Baum vor dem Fenster sieht unheimlich aus.
Die Zweige der Ulme, sie schwanken im Takt,
der Sturm hat die Äste wie Klammern gepackt.

Von Ferne erscheint mir nun vage ein Licht,
das Wärme und trauliche Nähe verspricht.
Doch nicht an der Türe verhält das Gefährt!
Die Hoffnung auf Liebe erscheint mir verjährt.

Und weiter schau ich in graudunkle Nacht,
der Regen fällt jetzt nur noch leise und sacht.


So fließt nun alles in Tempo und Klang. Ich hoffe, das war nicht zuviel des hoffentlich Guten! Ich versuche eben immer, ein gutes Gedicht, das mir gefällt, nach meiner Lesart noch perfekter zu machen. So gesehen kann man ausufernde Korrekturen meinerseits durchaus als Kompliment betrachten - für Gedichte, die mir nicht gefallen, tu ich mir die Arbeit gewiss nicht an!

LG, eKy
__________________
Weis heiter zieht diese Elend Erle Ute - aber Liebe allein lässt sie wachsen.
Wer Gebete spricht, glaubt an Götter - wer aber Gedichte schreibt, glaubt an Menschen!
Ein HAIKU ist ein Medium für alle, die mit langen Sätzen überfordert sind.
Dummheit und Demut befreunden sich selten.

Die Verbrennung von Vordenkern findet auf dem Gescheiterhaufen statt.
Hybris ist ein Symptom der eigenen Begrenztheit.
Erich Kykal ist offline   Mit Zitat antworten