Thema: The End
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Alt 25.05.2014, 10:47   #3
Erich Kykal
TENEBRAE
 
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Hi, Mc Murphy!

Was mich hier eher erschreckte ist, dass der Erzähler selbst offensichtlich - wie im Schlusssatz erkennbar - dort anwesend war, die Tat augenscheinlich aber nicht zu verhindern versuchte. Womöglich hat er sich sogar daran beteiligt. Was also ist eine - wie poetisch auch immer gelungene - Beschreibung aus der Feder so eines Charakters wert? Was soll uns das sagen?
Hat einer, der so eine Tat bloß analytisch beobachtet wie ein innerlich unbeteiligter Beobachter oder Sachverständiger, oder einer, der sich an einer Vergewaltigung beteiligt und dann poetisch kritisch sein sollende Verse darüber schreibt, ein moralisches Anrecht, dies zu tun? Kann man den gesellschaftskritischen Vorwurf, die gewünschte Aussage des Gedichtes aus solch einer Feder respektieren? Will sagen - dieser letzte Satz: "...die ich je hörte.", dieses "ich" dort beraubt den ganzen Text seiner moralischen Glaubhaftigkeit, weil es den Erzähler zu einer moralisch höchst fragwürdigen Figur reduziert. Wer bei sowas nur zuschaut, ohne helfen zu wollen oder sich gar tätlich beteiligt, hat kein Recht, einer Leserschaft den moralischen Zeigefinger vor die Nase zu halten.
Soll der Text also wirken, rate ich dringenst, jenes "ich" zu entfernen, sodass nicht der Eindruck entsteht, der Erzähler wäre entweder genauso ein Arschloch wie die Täter oder zumindest schlicht zu feige, um dem Mädchen zu helfen!

Ein weiteres seltsam anmutendes Detail ist die Nennung des Namens des Mädchens, als würde dieser eine Rolle spielen. Soll dies ein sozialkritisches Gedicht sein, wäre es wirkungsvoller, das Opfer anonym zu belassen, sodass es potentiell für jede Frau stehen kann. Die Nennung des Namens generiert hier vielmehr wiederum den Eindruck, der Erzähler wäre enger in die Angelegenheit involviert, als er den Anschein erwecken möchte. Man fragt sich, woher er den Namen denn weiß. Das bringt uns wiederum zu einem moralisch höchst fragwürdigen Anspruch, als wäre dieser Text der klägliche Versuch eines Täters, seiner Tat zumindest als abschreckendes Beispiel noch eine Art tieferen Sinn und eine Rechtfertigung vor sich selbst und der Welt zu verleihen - ein eher abstoßend wirkendes Moment!
Auch den Namen des Opfers würde ich also streichen.

Dann kann man den Text eher nachvollziehen, vor allem im Lichte der jüngst bekannt gewordenen Massenvergewaltigungen, wie sie offenbar in Indien an der Tagesordnung sind.
Die menschenverachtende Herablassung einer bestimmten Sorte Männer wird hier recht anschaulich verdeutlicht, gerade auch durch die lapidare Erzählform scheinbar ohne jede emotionale Regung. Dass zumindest einer es hinterher auch noch "Scheiße findet", ist der absolute Gipfel der Entmenschlichung. Dieses Mädchen wurde also in absoluter Beiläufigkeit, quasi aus Langeweile, geschändet. Oder, anders gedeutet: Er findet die Tat zwar "Scheiße", macht aber mit und tut dies erst hinterher kund, als es ohnehin zu spät ist und keine Rolle mehr spielt. Sozialer Zwang und Feigheit? Oder nur Angst vor den möglichen Folgen? Auch in diesem Falle spielt das Opfer keine Rolle, nur das eigene Fortkommen ist Kern der Gedanken. Verrohte Egomanen, Soziopathen, Psychopathen - ich habe zu viele solcher Typen selbst kennengelernt, um hier behaupten zu können, dein Gedicht wäre realitätsfremd. In bestimmten Kreisen (Gangs, Jugendbanden, kriminelle Vereinigungen, Militärs in totalitären Regimen,...) ist so eine "Männerwelt" leider nur zu oft gang und gäbe.
Wer dazugehören will - und jeder will, denn wer nicht will, hat nichts zu lachen!!! - muss sich der Kälte dieser Welt anpassen, in der ein Menschenleben nichts zählt - und schon gar nicht das einer Frau! Solche Männer gibt es, jawohl - und wer von uns wäre mutig genug, angesichts so einer Szene einzuschreiten? Die Feigheit wollen wir dem Erzähler also nicht vorwerfen - wer in so einer Welt leben muss, wird sich im Zweifelsfalle genau so verhalten: Sich beteiligen, um keinen Verdacht zu erregen, er wäre irgendwie "anders" - oder zumindest nicht stören. Und sicherlich nicht die Polizei rufen, die würde - zumindest in gewissen Teilen der Welt - womöglich mitmachen...

Dennoch stört es hier die Wirkung des Textes, den Erzähler körperlich anwesend sein zu lassen und den irrelevanten Namen des Mächens zu nennen.

Rechtschreibung: Letzte Strophe, Zeile 3: "Scheiße, mann,..."

Im Gegensatz zu Faldi aber "gern gelesen".

LG, eKy
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