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Alt 26.09.2014, 22:42   #2
Lailany
Kiwifrüchtchen
 
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Liebe Chavi,
ich kann mich sehr gut in Deine Erzählung reinversetzen. Nein, nicht nur reinversetzen, in Deinen Worten konnte ich mich selbst erkennen, sie erinnern mich an durchlebte Situationen.
Du sagst es schon und auch ich bin der Meinung, dass Alter dabei keine Rolle spielt. Nicht zum Zeitpunkt des Verliebens und nicht im nächsten Stadium, der jungen Liebe. Sehr wohl aber später, denn jede junge Liebe wird irgendwann vom Alltag und seinen kleinen und großen Sorgen eingeholt.

Als junger Mensch hat man noch unzählige Wünsche, zB Karriere, eigenes Haus, Reisen usw... Man ist daher egoistischer, ungeduldiger, untoleranter, hat die eigenen Pläne und ihre Verwirklichung immer im Hinterkopf, wenn auch vllt unbewusst. Wenn der Partner nicht auf derselben Schiene ist, ist die Beziehung wohl schon von Anfang an zum Scheitern verurteilt. Außer einer der beiden ändert sich (bzw seine Anforderungen ans Zusammenleben) total.
Aber letzteres gelingt nur bedingt und hält nicht für immer an. Irgendwann wird ihm der Verzicht bewusst und die Unzufriedenheit hält Einzug. Er ist ärgerlich und unzufrieden mit sich selbst und dem Partner, und bestrebt, sich von jetzt an für die Verwirklichung der eigenen Wünsche einzusetzen. Um das durchzuziehen, muss er entweder den Partner und dessen Einstellung ändern, oder aber sich selbst. Beides ist fast immer der Anfang vom Ende einer Beziehung.
Wie schnell und auf welche Weise die Änderung herbeigeführt wird, das hängt vom Charakter des Einzelnen ab. Die (Ver)Änderung hat natürlich Auswirkungen auf den Partner und das Zusammenleben. Das wird in der Regel nicht so einfach hingenommen, oder gar toleriert und schon ist der Wurm drin. Der ist hungrig, frisst, beisst und bleibt trotz ständigem Nagen unersättlich.
Und das geht an die Substanz. So geschwächt wird man erst grantig, dann aufbrausend, es kommt zu Ausfällen, von denen man oft genug selbst am meisten schockiert ist. Man schämt sich, zeigt sich von seiner besten Seite, will alles wieder heile machen.
Hier erinnere ich mich an Worte meiner Großmutter: Gebrochenes Porzellan kann man nicht kitten.
Das geht vllt für eine Weile gut, hält aber nicht lange an, will man nicht in Selbstverleugnung eine Lüge leben.

Als frisch verliebter älterer Mensch hat man zwar nicht mehr die zahllosen hochfliegenden Träume und Erwartungen vom Leben, dafür aber seine Eigenheiten, Macken, Prinzipien, die man über Jahre hinweg 'kultiviert' und gehätschelt hat und die man (und wenn auch bloß aus Prinzip!) nicht aufgeben will.
Anfangs mögen sie ja dem Partner interessant, originell, witzig und liebenswert erscheinen, das jedoch kann ganz schnell ins Gegenteil umschlagen.
Und damit sind wir wieder bei der oben schon erwähnten Änderung, Umerziehung angelangt, die mM nach nur äußerst selten funktioniert und anhält.

Liebe Chavi, wie Du siehst, hat mich Deine KG sehr berührt. Bei der Beschäftigung damit konfrontierte ich meine eigenen Gespenster und beim Niederschreiben des Kommis fand ich auch noch welche, die sich bis dato verborgen hielten.

Sehr gern gelesen und darüber nachgesonnen.

GLG von Ev
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"Manchmal ist es so demütigend, ein Mensch sein zu müssen..." Erich Kykal
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