Thema: Gnadenlos
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Alt 25.11.2014, 20:58   #6
Erich Kykal
TENEBRAE
 
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Hi, Dana!

Ich wage keine Expertise dazu, was (meine) Lyrik ausmacht!

Dazu verstehe ich selbst zu wenig, was sich beim Schreiben in mir abspielt, wie sich das alles immer fügt, als müsste es so sein ... man könnte beinahe an Magie glauben!

Ich beginne mit der ersten Zeile, ganz in Gedanken beim Bild meiner Inspiration. Etwas tief in mir erfasst das Wesen des Gedankens, sozusagen seinen innersten Kern, das Wesentliche daran, das mich bewegt hat, darüber zu schreiben.
Der Rest ist - eine Art Halbtrance, in der sich die bewussten Schichten meines Verstandes um Reime, Heber, Kadenzen und Sprachmelodie kümmern, während offenbar tiefere Schichten, auf die ich keinen direkten - oder zumindest zuweilen nur sehr beschränkten - Zugriff habe, gleichzeitig entscheiden, wo das Gedicht beim Werden hin will - und wie.
Oft bin ich hinterher dann selbst überrascht über die Conclusio, die so schlüssig wirkt, wie ich sie mir zuvor gar nicht vorstellen konnte, und frage mich, wo ich das jetzt hergenommen habe! Aber es kam zweifelsohne aus mir und wollte aufs Papier.
Ein solches Sonett wie oben zu schreiben dauert auf diese Weise bei mir in etwa 20 Minuten. Drei am Stück habe ich schon mal geschafft, aber danach beginnt die Konzentration erheblich nachzulassen, so als wäre das Unterbewusstsein satt. Ich habe gelernt, auf solche Signale zu achten und strapaziere das "Organ" nicht mehr. Wenn die Lust zur Pflicht wird, ist der lyrische Ofen ganz schnell aus - und ging einmal für mehr als ein halbes Jahr nicht mehr an, weil ich es offenbar übertrieben hatte (das war nach der Fertigstellung des Lieblingsbilderzyklus)!

LG, eKy
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Weis heiter zieht diese Elend Erle Ute - aber Liebe allein lässt sie wachsen.
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