Thema: Der Tofugott
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Alt 06.01.2015, 12:14   #2
Bodo Neumann
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Hallo Hans,

obwohl mich der Titel (besonders in dieser Rubrik) angelockt hat, zunächst ein Wort zum Formalen.
Die Verse sind scheinbar beliebig mal vier-, mal fünfhebig. Mag sein, dass das genau so sein soll (warum auch immer), bei mir entsteht dann immer der Eindruck, dass der Autor sich nicht genug Zeit zum Verdichten genommen hat. Das ist natürlich eine Unterstellung, die nur auf Baugefühl beruht. Darüberhinaus würde ich auf das Komma nach Maximus verzichten.

Inhaltlich bin ich eher enttäuscht und finde, du hast es dir ziemlich einfach gemacht. Unter dem Dach "Philosophisches und Nachdenkliches" habe ich eine differenzierte Herangehensweise an das Thema erwartet. Stattdessen finde ich eine fruststriert wirkende Abrechnung eines Gastwirts mit den Leuten, die seinen gewohnten Tagesablauf stören, indem sie nicht aus der Vielzahl von Fleischgerichten wählen, die auf der Karte stehen, sondern Sonderwünsche haben.
Zitat:
Veganer sind die Protestanten,
mit mehr als 95 Thesen.
Im Gasthaus, wo sie mal gewesen,
nennt man sie Speise-Querulanten.
Das halte ich für ein Problem der 90er Jahre (in Großstädten) und des letzten Jahrzehnts (auf dem Land). In den letzten 20 Jahren haben sich die meisten Gastronomen diesem wachsenden Markt angepasst und verdienen gutes Geld damit, denn Vegetarier und Veganer haben haben zwar eine ganze Reihe unterschiedlicher Gründe für ihre Ernährungsgewohnheiten, aber ganz sicher ist es nicht der Preis der Speisen.
Unklar sind mir auch die "mehr als 95 Thesen". Klar, es gibt schon verschiedene Forderungen aus dieser Richtung - so viele Gründe, wie es eben gibt. Aber dein Vers erweckt den Eindruck von Ziellosigkeit und Beliebigkeit der Thesen - ist das tatsächlich so?
Zitat:
Ihr Essen ist die wahre Religion.
Sie stürben gern im Circus Maximus,
bei Löwen, Schwertern und gar Pferdefuß.
Ihr simpler Auftrag ist die Weltmission.
Die Sache mit dem Circus Maximus halte ich für ein Klischee, das nur auf manche Vegetarier/Veganer zutrifft. Meiner Erfahrung nach ist das Töten von Tieren (heutzutage) nur bei den wenigsten der Hauptgrund, auf Fleisch zu verzichten. Bei der Religion gehe ich konform, das trifft auf einige sicher zu, vielleicht auch die Weltmission; vor allem in vergangenen Jahren wurde es teilweise vielleicht übertrieben. Rückblickend betrachtet glaube ich, dass das notwendig war, um überhaupt Gehör zu bekommen. Heute ist es ja parteiübergreifend nahezu unstrittig, dass massenhafter Fleischkonsum katastrophale Auswirkungen auf die Umwelt und auf die Welternährungssituation hat.
Zitat:
Skandieren laut vor jeder Metzgerei
und schwenken ihre Transparente.
Bei Vogel Strauß versagen Argumente,
weil sie nur Teil perfider Sklaverei.
Hier wird's jetzt echt albern. Klar gibt es auch Demos (z.B. anlässlich der Grünen Woche in Berlin), aber noch nie habe ich Veganer (nein, ich bin keiner) vor Metzgereien protestieren gesehen. Das mag es wohl in seltenen Fällen auch geben, reicht mir aber nicht dafür, das in einem Gedicht zu verallgemeinern. Unklar ist mir, vor welchen Argumenten die Veganer die Köpfe in den Sand stecken? Und Teil welcher Sklaverei sollen sie sein? Oder habe ich das falsch verstanden?
Zitat:
Und wird Vegan dereinst erst siegen,
dann beißt der Tofugott die Köpfe ab,
denn wer nicht konvertiert und macht gar schlapp,
den wird der Racheengel kriegen.
Und hier schlägt die Albernheit in brüllende Komik um. Fast ist man versucht, einen Exorzisten zu bestellen, der den Veganern den Teufel austreibt, damit das Menschheitsgeschlecht als solches noch irgendwie gerettet werden kann.
Sollte das alles etwa eine Satire werden? Nö, kauf ich dir nicht ab.

Gruß Bodo


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