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Alt 12.01.2015, 13:57   #3
Bodo Neumann
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Hallo Claudi,

irgendwie hatte ich befürchtet, dass du mir den Fresssmiley unter die Nase reiben bzw. um die Ohren hauen würdest. Er ist mir beim Basteln der Verse selbst in Erinnerung gekommen...

Danke zunächst für deine sehr kompetente Rückmeldung. Sich mit dieser Form zu beschäftigen war insofern nicht einfach, weil im Netz zwar einige (halb)wissenschaftliche Abhandlungen über den Hinkjambus zu finden sind, aber relativ wenige Beispiele, an denen man sich orientieren kann. (Den einzig brauchbaren habe ich auf Wikipedia gefunden.) Deshalb finde ich es gut, dass du gleich mit einem Beispiel retourniert hast.

Sehr spannend (und darüber habe ich in den metriktheoretischen Erläuterungen nichts entdecken können) fand ich deine Erläuterungen zu den Zäsuren und deren Einfluss auf die "Balance" (wow! (ironiefrei!]) der Verse.

Ich bin mir nicht sicher, ob ich alles verstanden habe bzw. die von dir beschriebenen Wirkungen genauso fühle, aber ich versuch mal, meine Gedanken zu beschreiben:
Die Endlastigkeit, die du gern vermeiden würdest, spüre ich - hatte aber das Gefühl, dass dabei dieser ziemlich coole "Hinkeffekt" stärker zur Geltung kommt. Was genau bewirkt denn die angestrebte Balance beim Lesen? Das kann ich noch nicht genau bestimmen. Ein wenig habe ich das Gefühl, dass man dann nicht so in die Leiermühle gerät - ist es so? Mit dem Enjabement habe ich versucht, dagegen zu arbeiten.

Und warum legst du Wert auf die Zäsur innerhalb des Versfußes? Ein objektiver Vergleich will mir mit deinen Beispielen nicht gelingen, weil ich inhaltlich nicht zufrieden mit deinen Vorschlägen bin (die Fresse grinst einfach nicht, und Paul wetzt auch nicht zum Amt) - das war auch nicht deine Aufgabe, ich verstehe, was du mir sagen wolltest.
und seine Fresse sah || in dieser Scheiß Pfütze,
und seine Fresse grinste || aus der Scheißpfütze,
und seine Fresse ansah || in der Scheißpfütze
"ansah" gefällt mir auch nicht, aber ich hab's jetzt noch ein paarmal gelesen und denke, die verschobene Zäsur zieht auch Gewicht nach vorne - also siehe oben?

Zur Scheißpfütze: die schreibe ich auch immer zusammen; nur hier in meinem ersten Experiment damit habe ich mich für die Trennung entschieden, damit der Leser den Hebungsprall mitnimmt und das Ding XXx und nicht Xxx liest. Aus diesem Grund auch (du hast es vermutet) ...geh. Schlafen!. Der Leser sollte gezwungen werden sowohl geh als auch Schlaf zu betonen. Nicht nötig - mag sein - für den, der Erfahrung damit hat.
Zitat:
sehr nach hinten ziehenden metrisch bedingten "Hinkzäsur", die man m.E. nicht allzu oft durch zusätzliche Sinneinschnitte überbetonen sollte
Mit Sinneinschnitt meinst du die Stütze in V4? Oder etwas anderes?

Eins noch (für mich zur Übung): Wo würdest du in diesem (deinem) Vers die Zäsur setzen - hinter Catull oder hinter nicht?
Zitat:
hätt's sicher auch Catull nicht übers Knie brechen
Gefühlsmäßig würde ich nach Catull kurz innehalten. Dann wäre aber die Zäsur nicht im Versfuß, richtig?

Noch eins: Ich bin nicht so der große Freund von langen Versen - man neigt mMn dazu, ins Schwafeln zu geraten und das Verdichten zu vernachlässigen. Aber das Hinkebein gefällt mir doch. Könntest du dir vorstellen, dass das Dings auch kürzer funktioniert - etwa fünf- oder gar vierhebig xXxXxXXx? Wird der Effekt verloren gehen? Ist das Blasphemie? Was meinst du?

lg Bodo

Nachtrag: Sorry, noch eins:
Die Reime - Meinst du, die Verse wurden klassischerweise nicht gereimt, weil Reime in der Antike einfach nicht chic waren oder verlieren sie in deinen Augen durch die Reime tatsächlich an Originalität/Wirkung?

Geändert von Bodo Neumann (12.01.2015 um 14:12 Uhr)
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