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Alt 12.04.2015, 19:46   #2
Erich Kykal
TENEBRAE
 
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Hi, Faldi!

Ein sehr schönes Gedicht, gerichtet an Protagonisten mit tiefen Selbstzweifeln oder Verwirrungen.

Die Aussage der Conclusio bleibt allgemein - ein IS-Milizionär könnte ja auch zur Gewissheit finden, dass er sein Leben genauso leben "muss": Ungläubige köpfen und jahrtausendealte Kulturgüter vernichten!

Diese Aufforderung, "sich sicher zu sein", könnte sich genauso auch an Zeugen Jehovas richten, die Gefahr laufen, den "wahren Glauben" anzuzweifeln und zu verlieren.

Meines Erachtens IST das Leben ein harter Test: Nur durch ständiges Zweifeln und Hinterfragen können wir Wahrscheinlichkeiten letztlich objektiver gewichten und zu einer freieren, unabhängigeren Lebensweise finden.

Wie gesagt: ein gutes Gedicht - schließlich würde es einen, der sein Gehirn richtig zu nutzen versucht, ebenfalls in seinem Streben bestärken. Ich schätze mal, so in der Richtung hast du es auch ursächlich gemeint.

So wie es aber dasteht, bestärkt es letztlich JEDEN in seinem Bemühen - in welche Richtung das auch immer driften mag! Und unter diesen Richtungen sind eben leider auch viele restriktive, unvernünftige und hirnrissige, die du mit deinen allgemein gehaltenen Worten sozusagen als jedem zustehende "Selbstverwirklichung" absegnest - je nach Deutung und Auslegung deiner Zeilen.

Was dächtest du, wenn ein Selbstmordattentäter in seinem Testament schreiben würde, genau dieses Gedicht hätte ihn letztlich in seinem Streben nach den wahren Weg seines Gottes bestätigt und unterstützt, weil es ihm riet, sein Leben so zu leben, wie er "müsse"?

Dieses "Müssen" kann zwar ein eigenes Wollen sein, aber eben auch ein fremdgesteuertes, durch soziale, politische oder religiöse Zwänge aufoktruiertes Verhalten - je nach Interpretationslage.

Das Gedicht sagt aus: Zweifle nicht! Woran, sagt es nicht, und daher können es nach Selbstverwirklichung suchende Freigeister ebenso nutzen wie mittelalterlich denkende Bibelknechte, gerade WEIL es nicht in seiner Aussage keiner Richtung verschreibt und allgemein bleibt.

Dies ist m.E. aber auch das einzige Manko dieses schönen Sonetts.

Sehr gern gelesen!

LG, eKy
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