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Alt 26.08.2015, 04:30   #30
Claudi
Senf-Ei
 
Registriert seit: 26.04.2014
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Hallo, Ihr Beiden!

Ich antworte Euch mal scheibchenweise (weiß nicht, wie weit ich heute noch komme). Zuerst zum Brechmittel, für das Ihr Euch ja beide interessiert. Wäre Euch die Schreibweise Brech-Mittel lieber? Klar spreche ich das so, dass man die Zäsur hört. Im Schriftbild mag das befremdlich wirken. Nun ja, ich versuche halt bewusst, nicht alle Verse gleich zu bauen und Euch ein paar Anregungen mitzugeben. Jedenfalls bin ich mit meinem Brechmittel bei Eduard Mörike in guter Gesellschaft. In "Bilder aus Bebenhausen" ist z.B. dieser Pentameter zu finden:

Gleitet her- / über zum / Wald- || rande mit / Beben der / Schall,

Faldi, dass der Duden immer nur die Hauptbetonung in einem Wort anzeigt, hatte ich aber schon öfter erwähnt? "Brech-" ist normalerweise stärker betont als "mit-", da sind wir uns einig. "Mit-" liegt für mich aber, verglichen mit der schwachen Endsilbe "-tel", in der Betonungsintensität näher an einer Hebung als an einer Senkung. Als Daktylus würde ich das Wort "Brechmittel" auf keinen Fall verwenden. Aber da hatten die berühmten Hexametristen auch unterschiedliche Vorlieben. Das muss keiner so handhaben.


Zitat:
Zitat von Bodo
das Enjambement. Irgendwie habe ich mich an eine Zäsur am Ende des Hexameters gewöhnt. Ich dachte, dass sei so gewollt, weil ja auch das Versende XxxXx verbindlich ist, weil [Zitat Ferdi] "Der immer gleiche Schluss, X x x / X x, stellt dagegen sicher, dass die Verse dennoch als Abwandlungen immer des gleichen Grundverses erscheinen." Meiner Meinung nach geht dieser Effekt durch das Enjambement verloren. Seht ihr's anders?
Mit "der immer gleiche Schluss" ist das Versende gemeint, das nicht zwangsläufig mit dem Satzende identisch sein muss. Klopstock, wenn ich mich richtig erinnere (müsste ich nachschauen), hatte, glaube ich, mindestens in jedem sechsten Vers ein Enjambement gefordert, damit Vers- und Satzgrenzen gerade nicht immer zusammenlaufen.

Faldi, bei Dir fange ich mal hinten an. Vielleicht klärt sich dann der Rest von alleine.

Zitat:
Zitat von Faldi
Muss ein korrekter Hexameter in jedem Fall zwingend Zäsuren aufweisen?
Und wenn ja, wieviele müssen das sein, wo müssen diese stehen und welcher Art können diese sein?
Von wem wurden diese Regeln aufgestellt und wo kann ich das nachlesen (außer bei Ferdi)?
Ich nehme an, Du möchtest dazu einen Satz lesen wie diesen von Andreas Heusler, Deutsche Versgeschichte, dritter Band (de Gruyter 1929), Seite 256 – 260:

"Die kurze Regel für den deutschen Hexameter lautet so: Er braucht einen Schnitt im dritten oder im vierten Takte."

Ich habe das Buch nicht zu Hause, aber ich weiß, wer die wichtigsten Passagen daraus zitiert. Auch andere namhafte Metriker, die sich mit dem deutschen Hexameter beschäftigt haben, kommen auf der Seite zu Wort, speziell zur Zäsur (aber auch zu anderen Fragen) z.B. Jacob Minor. Was auch immer Du über den Vers wissen willst, falls Google überhaupt eine Antwort ausspuckt, wirst Du mit großer Wahrscheinlichkeit hier fündig. Solltest Du eine Quelle entdecken, die ergiebiger ist, lass es mich ruhig wissen.


Zitat:
Es wäre für mich wichtig zu erfahren, wo die Zäsuren in meinen Hexametern teilweise noch nicht so ganz stimmen
Ich schreibe die Kandidaten mal raus:

Sprach da ein Dichter nicht neulich schäbig || über Sonette,

Hier könnte man großzügig sein und die bukolische Diärese als Zäsur gelten lassen. Eigentlich wäre die Pause zum Luftholen aber früher, nämlich vor "schäbig", oder? Sag einfach mal, wie Du den Vers sprichst. Wenn Du z.B. statt "schäbig" "gehässig" nimmst, kriegst Du die Zäsur in den dritten Fuß statt zwischen den dritten und vierten Fuß.

Sprach da ein / Dichter nicht / neulich || ge- / hässig über So- / nette,

Diesen hier:

Pseudobeglücktes Geschwafel || scheuen Poetengesindels

kann ich kaum anders lesen als mit dem eingezeichneten Einschnitt, denn das Adjektiv "scheuen" gehört doch sinngemäß sehr nah zum "Poetengesindel". Da findest Du sicher selbst ein anderes Wort, das unbetont beginnt, vielleicht "bekloppten"?

So, hier mach ich für heute eine Zäsur, sonst komm ich gar nicht mehr aus dem Nachtrhythmus raus.

LG Claudi
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Rasple die Süßholzwurzel so fein, dass es staubt, in den reichlich
Abgestandenen Quark; darüber verträufele Wermut,
Bis aus dem Rührwerk, Burps! endlich das Bäuerchen kommt.

Geändert von Claudi (26.08.2015 um 04:37 Uhr)
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