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Alt 26.06.2016, 12:04   #11
Wodziwob
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Hi Erich,

danke der Nachfrage. Infolge eines ausgeprägten "Sunday Feeling" stell ich Dir einfach einen kleinen Auszug aus meinem "Federhut" ein zu

1)Will man den Paiute glauben, hat ihr Prophet Wodziwob verkündet, dass alle Bleichgesichter verschwinden werden, die verstorbenen Verwandten ins Leben zurückkehren und das ganze Land wiedergenesen wird, wenn alle Stämme der Numa in regelmäßigen Abständen fünf Tage und Nächte lang ekstatische Rundtänze aufführen.

Die Geschichtsforscher behaupten heute, der Visionär habe für seine Mission auf den Trauerzyklus der am Westrand des Beckens lebenden Gruppen der Yuma zurückgegriffen, ein Jahr nach dem Tod Verwandter für dieselben ein Totenfest zu feiern, und vermengte dieses Ritual mit dem Auferstehungsglauben der christlichen Missionare, aus dieser synkretistischen Vermischung sei der Geistertanz ins Dasein gerufen und geboren worden. Da kann ich nicht allzu viel sagen dazu, mag schon was Wahres dran sein oder auch nicht. Als sich der Prophetentanz, wie der Geistertanz ursprünglich genannt wurde, Anfang des Jahrhunderts im Plateau verbreitete, knüpfte er an die Tradition ähnlicher Tanzzeremonien an, wie sie im Nordosten schon im Jahrhundert davor zelebriert worden waren, die religiöse Bewegung kam also keineswegs aus dem fantastischen Nichts, sondern wuchs im Laufe von Jahrzehnten heran wie ein Baum, und bereits in den Wurzeln steckte christliches Gedankengut. Schon der Prophetentanz fußte auf der persönlichen Begegnung einzelner Medizinmänner und -frauen mit dem Christengott, der ihnen das bevorstehende Ende der Welt und die Rückkehr der Verstorbenen ankündigte, was die heiligen Leute der Stämme wohl etwas zu wörtlich genommen und verstanden haben.

Tatsache ist, dass die Geistertanzbewegung von den Stämmen des großen Beckens wie ein rettender Strohhalm ergriffen wird, sich rasend schnell übers ganze weite dünnbesiedelte Land ausbreitet bis zu den Ute und an den westlichen Rand der Prärien, auch die Sippenverbünde der Shoshone erfasst und mit sich reißt, die ansonsten ihre verstorbenen Angehörigen eher fürchten und nichts mit ihnen am Kopfschmuck haben wollen, und quasi über Nacht alles zu tanzen beginnt, was da sein Tanzbein schwingen kann vom Greis bis zum Kind, eine mächtige Woge, die alle Stämme auf ihren Wellen fortträgt in ein besseres Leben und neues Land der großen Verheißung.

Die weißen Einwanderer aber werden immer mehr, ihre Übergriffe gewalttätiger und brutaler, die Dinge ändern sich nicht zum Besseren sondern werden immer schlechter, Wodziwobs Jünger beginnen zu murren, am Wahrheitsgehalt seiner Vision zu zweifeln und seine Sendung als ganze in Frage zu stellen. Eben weil sie seine Weissagungen nicht richtig verstanden haben oder vielmehr eigenwillig ausgelegt. Denn mit keinem einzigen Wort hat der Prophet jemals erwähnt, wann das von ihm Geschaute und Vorhergesagte eintreffen wird, ob nun in zwei Tagen, Wochen, Monaten oder Jahren, oder in zwanzig, zweihundert oder gar zweitausend. Schlicht und ergreifend, weil Wodziwob das selbst nicht wusste, niemand kann das wissen. Letztlich sagte der Seher nur, dass sich die Lebensweise der Indianer als langlebiger und dauerhafter herausstellen wird als die der Bleichgesichter, dass mit ihren Vorfahren die Sitten und Gebräuche derselben aus den Gräbern steigen und auferstehen werden und das Land eines fernen Tages, wenn die Bleichgesichter sich selbst fertig gemacht und gegenseitig erledigt haben, wieder den Paiute gehören wird.

Um dorthin zu gelangen, müssen dieselben aber beharrlich und unermüdlich ihre heiligen Tänze tanzen, ihre Tradition und Religion bewahren, aufrechterhalten und pflegen, kurzum sie selber bleiben, auf keinen Fall dürfen sie sich der verderblichen Welt der Weißen mit ihren Gepflogenheiten anpassen, um nicht restlos von ihr verschluckt zu werden und für immer in ihr verloren zu gehen. So was kann natürlich eine ganze lange Weile dauern, aber wie das mit den einfachen Leuten nun mal so ist, wenn es morgen nicht kommt kann es mir gestohlen bleiben, warum sollte das bei Indianern recht viel anders sein, noch dazu wenn diese mit dem Rücken zur Wand am Abgrund stehen? Bezeichnender Weise wussten die amerikanische Behörden sehr viel besser, was an unterschwelliger Kraft und Bedrohung in so einer religiösen Strömung steckt, die den verstreuten und gedemütigten Stämmen und Sippen Gemeinschaftsgefühl und wiedererwachtes Selbstbewusstsein vermittelt.

Die sakralen Tanzveranstaltungen werden zuerst strengstens verboten und nach Zuwiderhandlung von der Armee - nicht zuletzt auf Druck der äußerst feindselig gesinnten christlichen Konfessionen - mitsamt ihren spirituellen Führern ohne Skrupel und Federlesens zusammengeschossen, nach einigen Jahren ist ihre Kraft endgültig gebrochen und die erste Woge der Geistertänze im Geröll des Beckens verebbt. Eine friedliche und gewaltlose Strömung wie der Geistertanz erscheint der Regierung weitaus gefährlicher als die absehbar siegreich zu beendenden Kriege einhergehend mit der höchst blutigen, grauenhaften und durchaus verlustreichen Niederschlagung der Indianeraufstände.


Mir gefällt ganz einfach der Name, ich finde ihn lustig.

Und zu "so es sich sich",

2) eine launige Verdoppelung, um die verschwindende Einflussnahme des Individuums auf die Dynamik von "sich sich" Prozessen zu unterstreichen, die sich zu Selbstgängern entwickeln und jederzeit ins Gegenteil dessen umkippen können, was sie ursprünglich beabsichtigten, was oft genug von den Beteiligten nicht wahrgenommen wird.


Liebe Grüße
Wodziwob

Geändert von Wodziwob (26.06.2016 um 14:21 Uhr)
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