Thema: Vom Rand
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Alt 07.09.2016, 10:42   #2
Wodziwob
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Hallo Walther,

ein wichtiges Gedicht. Wichtig deshalb, weil den syrischen Bürgerkrieg niemand mehr thematisieren will. Wenn auch aus nachvollziehbaren Gründen.

Selbstverständlich haben Menschen, die mit Bewusstsein verhaftet sind, ein schlechtes Gewissen ob der äußerst fragwürdigen Lösung der Flüchtlingsfrage, aber wenn ich mir das Chaos so ins Gedächtnis rufe, das zu Jahresanfang über Bayern hereingebrochen ist, kann ich den gnadenlos überforderten Leuten auch die Erleichterung darüber nicht verübeln. Ihnen wurde etwas aufgeladen, dass sie auf lange Sicht unmöglich schultern hätten können, zumal sie sich vom Rest der EU schmählich im Stich gelassen sahen. Der syrische Bürgerkrieg hatte außerdem nichts zu tun mit ihnen, sie hatten ihn nicht angefangen, und rein geographisch wäre es Pflicht und Aufgabe der Nachbarländer, die Flüchtlinge aufzunehmen. Auf den Verlauf der kriegerischen Auseinandersetzung haben sie ohnehin keinerlei Einfluss.

Und so ist die "Aus den Augen aus dem Sinn" Reaktion für mich nicht allzu verwunderlich, auch was die Tragödie im Mittelmeer betrifft. Die Leute können einfach nicht mehr. Was sich auch auf die Wahrnehmung des Krieges selbst mit seinen Schrecken niederschlägt. Das Gefühl der Ohnmacht hat deshalb überhand genommen, weil es den traurigen Tatsachen entspricht.

Eines Tages wird die Geschichte fragen, wie es möglich hat sein können, ein ganzes Volk seinem Untergang zu überlassen, obgleich es Möglichkeiten gegeben hätte, diese Katastrophe zumindest einzudämmen. Nun, es geschieht weiß Gott nicht zum ersten Mal, dass nationale Interessen über die Gesetze der Humanität gestellt werden und es ist auch nichts Neues, derlei Unfassbares so unmittelbar erleben zu müssen... ich habe dutzende Gedichte geschrieben (nicht hier), um auf dieses historische Versagen hinzuweisen, das Ergebnis war - wie sollte es anders sein - Vergeblichkeit. Und wenn ich mir heute eingestehen muss, dass ich nimmer mag, dann ist das nur ehrlich.

Auch deshalb tut mir Dein Gedicht mit all seiner Entsetzlichkeit gut. Zeugnisse ohnmächtiger Empörung sind nie umsonst, auch wenn sie keine Änderung in absehbarer Zeit herbeiführen können.

Liebe Grüße
Wodziwob

Geändert von Wodziwob (10.09.2016 um 11:11 Uhr) Grund: s
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