Thema: Verlassen
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Alt 30.09.2016, 15:52   #6
Erich Kykal
TENEBRAE
 
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Zitat:
Zitat von Stachel Beitrag anzeigen
Ich denke, das Gefühl, von "seinem" Gott verlassen zu sein ist nicht gleichbedeutend mit der Gewissheit seiner Nichtexistenz. Das ist natürlich nicht so leicht, einem Atheisten zu erklären.
Mein Partner löst sich ja auch nicht auf (oder entschwindet nachträglich/rückwirkend in Nichtigkeit), wenn er mich verlässt.
Für mich ist es psychologisch sehr plausibel, sich für besonders klein und unbedeutend zu halten, wenn man das Gefühl von (göttlicher oder menschlicher) Nichtbeachtung erlebt. Den Satz "Wenn ich nicht mehr da bin, merkt das eh keiner." kennt vermutlich so ziemlich jeder, vielleicht aus eigenen schwachen Momenten, vielleicht aus dem näheren Umfeld oder über Erzählungen. Der Text berichtet über jemanden, der diesen letzten Schritt gegangen ist.
Wichtig war mir dabei, wie gesagt, dass die spirituelle Lesart zwar enthalten ist, sich aber nicht in den Vordergrund drängt.
Hi Stachel!

Daraus erschließt sich mir nur, wie wenig logisch gläubige Menschen doch denken!
Wenn ihr Gott nach eigener Definition ein allumfassend wissender und liebender ist, der selbst den größten Sündern noch vergeben kann, dann muss so ein Gefühl des Verlassenseins ein eingebildetes, selbstmitleidiges sein, denn ein allwissender Gott KANN einen ja eigentlich gar nie "verlassen"!

Das Verlassenwerden durch einen Partner ist etwas, das immer wieder passiert - sicher schmerzvoll, aber kein Grund für Suizid für einen selbstständigen, eigenverantwortlich handelnden, emotional stabilen Menschen ... oh, ich vergaß, wir reden hier ja über GLÄUBIGE ...

Und auf den Satz "Wenn ich nicht mehr da bin, merkt es eh keiner!" kann ich nur antworten: Na und? Warum ist für viele Menschen der Gedanke so wichtig, dass es einer merkt? Bin ich erst tot und damit nichtexistent, ist es mir ohnehin egal (und bei einer Nachtodexistenz wäre es sehr wahrscheinlich ebenso), warum kann ich also davor nicht mit der Vorstellung leben?
Genau diese wehleidige emotionale und lebenspraktische Inkompetenz führt dazu, dass ich solche Mensch zwar bedauern, aber geistig nicht ernst nehmen kann ...

Und überhaupt, wenn jemand gläubig ist, dürfte er diesen "letzten Schritt" ja gar nicht gehen, ohne das Geschenk seines Gottes aufs Tiefste zu verraten und wegzuwerfen, nicht wahr? Also noch unlogischer!

Kurz gesagt, wer sich wegen eines "schwachen Moments" wegwirft - obwohl eine ausreichende Lebenserfahrung ihm eigentlich schon hinreichend gezeigt haben sollte, dass solche Momente auch wieder vorübergehen - und obwohl er es nach den Basisstatuten seiner Religion gar nicht tun dürfte - und obwohl er wissen müsste, dass ein gütiger und allumfassender Gott per definitionem immer bei ihm sein muss - - - der ist in meinen Augen ohnehin zu blöd zum Leben.

LG, eKy
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