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Alt 30.11.2016, 06:10   #10
Angelika
Erfahrener Eiland-Dichter
 
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Wenn du meinst, Walther, dass du berufen bist, ex cathedra festzustellen, dass sich mein Gedicht lediglich um einen Tagebucheintrag handelt, will ich deiner persönlichen Ansicht nicht widersprechen.

Was allerdings den Rhythmus angeht, so spielt er im modernen Gedicht im freien Vers eine sehr untergeordnete Rolle. Schon die Auflösung des einen Rhythmus durch den Einsatz unterschiedlicher Metren bewirkt dies. Du kannst im freien Vers den Jambus, den Daktylus, den Kretikus und den Anapäst etc. im freien Vers einsetzen, und das in einer Verszeile. Das einzige ungereimte rhythmisch-jambisch angelegte Gedicht ist der Blankvers, aber auch er kann gereimt auftreten.

Die Vorliebe für den "Klang" stellt meiner Ansicht ein Gedicht auf den Kopf, denn nicht der Klang ist es, der ein Gedicht macht, sondern immer noch der Inhalt. Sogar im gereimten Gedicht, dem allseits beliebten Sonett, dem ja der Klang angeblich auf den Leib geschrieben ist, gibt es die Tendenz, immer mehr Inhaltliches in den Vordergrund zu stellen und den Klang nur noch "mitzunehmen". Ich habe aber schon sehr viele Sonette gelesen, bei denen der Klang im Vordergrund stand, während der Inhalt als Stiefkind behandelt wurde. Das, die Verdrängung des Klangs, ist eine Entwicklung seit den siebziger Jahren, die bis heute anhält. Und es wird noch weitergehen. Wobei ich nichts gegen den Klang habe, wenn er mit dem Inhalt eine Einheit bildet. Das aber ist nach meiner Erfahrung sehr selten der Fall.

Aber das muss ich dir wohl nicht erzählen, das weißt du sicher auch ohne mich.

Angelika
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